Demokratisierung – BEIGEWUM

Stichwort: Demokratisierung


Wirtschaftspolitische Prioritätensetzung per Verfassung?

April. 11th 2017 — 16:06

Georg Feigl (BEIGEWUM und AK Wien)

Anläss­lich des Rechts­streits über den Bau der 3. Flug­ha­fen­pis­te kam die For­de­rung nach einer Ver­an­ke­rung “des Wirt­schafts­stand­orts“ in der Ver­fas­sung auf. Umwelt­po­li­tik dür­fe recht­lich nicht mehr zäh­len, so das Argu­ment. Mit ähn­li­chen Argu­men­ten wur­de im Zuge der Kri­se ver­sucht, bud­get­po­li­ti­sche Zie­le, durch deren Ver­an­ke­rung in der Ver­fas­sung, über alle ande­ren zu stel­len. Ähn­lich­kei­ten zei­gen sich auch mit der Debat­te über Han­dels­ver­trä­ge, wo mit­tels über­ge­ord­ne­ten Schieds­ge­rich­ten ver­sucht wur­de Inter­es­sen von Inves­to­rIn­nen vor­ran­gig abzu­si­chern. wei­ter­le­sen »

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30. Mai: Die EU in der Krise

Mai. 23rd 2012 — 11:19

Die EU in der Kri­se: Zwi­schen auto­ri­tä­rem Eta­tis­mus und euro­päi­schem Frühling

Datum: Mitt­woch, 30. Mai, 19 Uhr

Ort: NIG, 2. Stock, Hör­saal 1, Uni­ver­si­täts­stra­ße 7, 1010 Wien

Buch­prä­sen­ta­ti­on und Dis­kus­sion mit

Pia Eber­hardt (Cor­po­ra­te Euro­pe Obser­va­to­ry, Brüs­sel): Lob­by­is­mus und euro­päi­sche Post­de­mo­kra­tie – Ein­bli­cke in den EU-Staats-Zivilgesellschaftskomplex
Lukas Obern­dor­fer (juri­di­kum und Asso­zia­ti­on für kri­ti­sche Gesell­schafts­for­schung): Hege­mo­nie­kri­se in Euro­pa: Eco­no­mic Gover­nan­ce und Fis­kal­pakt – Ele­men­te einer auto­ri­tä­ren Wende?
Mode­ra­ti­on und Ein­lei­tung: Oli­ver Praus­mül­ler (BEIGEWUM)

Der euro­päi­sche Inte­gra­ti­ons­pro­zess wird durch eine „Viel­fach­kri­se“ erschüt­tert: Euro-Kri­se, Staats­kri­sen, der Legi­ti­ma­ti­ons­ver­lust der EU sowie das Feh­len eines neu­en popu­lä­ren euro­päi­schen Pro­jek­tes. Die sozia­len Kämp­fe gegen eine Abwäl­zung der Kri­sen­fol­gen nach unten und für eine weit­ge­hen­de Demo­kra­ti­sie­rung der Gesell­schaft eska­lie­ren zuneh­mend. Der Bei­trag der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen ‚Euro­pa­for­schung‘ zum kri­ti­schen Ver­ständ­nis die­ser Ent­wick­lun­gen ist mar­gi­nal. Dazu will der vor­lie­gen­de Band der Asso­zia­ti­on für kri­ti­sche Gesell­schafts­for­schung (AkG) und der For­schungs­grup­pe Staats­pro­jekt Euro­pa  einen Kon­trast set­zen. Die Bei­trä­ge unter­su­chen aus unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven einer kri­ti­schen Inte­gra­ti­ons­for­schung Hin­ter­grün­de und Dyna­mik der Kri­se und dis­ku­tie­ren eman­zi­pa­to­ri­sche Stra­te­gien für ein ande­res Euro­pa. Anläss­lich der Buch­prä­sen­ta­ti­on stel­len Pia Eber­hardt und Lukas Obern­dor­fer ihre Bei­trä­ge zum jüngst erschie­nen Sam­mel­band der Asso­zia­ti­on für kri­ti­sche Gesell­schafts­for­schung vor und dis­ku­tie­ren die jüngs­ten Ent­wick­lun­gen der euro­päi­schen Krise.

Ver­an­stal­te­rIn­nen:
Asso­zia­ti­on für kri­ti­sche Gesell­schafts­for­schung, BEIGEWUM, Chick­Lit – femi­nis­ti­sche Buch­hand­lung, Insti­tut für Poli­tik­wis­sen­schaft an der Uni­ver­si­tät Wien und  juri­di­kum (zeit­schrift für kritik|recht|gesellschaft)

Wei­te­re Infos:
www.staatsprojekt-europa.eu
www.facebook.com/staatsprojekteuropa

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Das Weltsozialforum 2011 in Dakar

Februar. 27th 2011 — 16:15

Welt­ge­schich­te wird in die­sen Tagen in Kai­ro und ande­ren nord­afri­ka­ni­schen Städ­ten und Län­dern geschrie­ben. Doch das seit 2001 bestehen­de Welt­so­zi­al­fo­rum, das Mit­te Febru­ar in Dakar statt­fand, erweist sich als Raum, der unver­zicht­bar ist, um sich auf trans­na­tio­na­ler Ebe­ne aus­zu­tau­schen, Stra­te­gien zu ent­wi­ckeln und Kam­pa­gnen zu lan­cie­ren. Für vie­le Akti­vis­tIn­nen begann das WSF bereits eine Woche vor­her mit einer Kara­wa­ne zum The­ma Migra­ti­on vom mali­schen Bama­ko nach Dakar, um über die kom­ple­xen Zusam­men­hän­ge von Migra­ti­on zu infor­mie­ren, zu ler­nen und sich poli­tisch zu ver­net­zen. Es gab wei­te­re Kara­wa­nen in die sene­ga­le­si­sche Haupt­stadt, mit denen die Teil­neh­men­den „unter­wegs“ auf ihre Anlie­gen auf­merk­sam mach­ten und ande­re Ver­hält­nis­se kennenlernten.

Der Aus­tra­gungs­ort des WSF spielt immer eine Rol­le. Für vie­le Teil­neh­men­den aus Euro­pa war die Erfah­rung eines ange­nehm offe­nen und reli­gi­ös tole­ran­ten isla­mi­schen Lan­des wich­tig. Inhalt­lich waren vor zwei Jah­ren im bra­si­lia­ni­schen Belem die Abhol­zung des Ama­zo­nas­ge­biets und der Wider­stand dage­gen all­ge­gen­wär­tig. Die­ses Mal spiel­ten die Land­wirt­schaft in Afri­ka, der der­zeit groß­flä­chi­ge Land­kauf (land-grab­bing) durch inter­na­tio­na­le Inves­to­ren – oft genug ver­mit­telt mit loka­len Inter­es­sen­grup­pen –, die mili­tä­ri­sche Prä­senz Frank­reichs und die (neo-)kolonialistische Rol­le Euro­pas in der Regi­on eine gro­ße Rol­le. Häu­fig ging es um die Benach­tei­li­gung von Frau­en in der Gesellschaft.

WSF-Dynamiken am Beispiel der Themen Klima bzw Lebens- und Arbeitsbedingungen

Alter­na­ti­ven zur herr­schen­den und wenig effek­ti­ven Kli­ma­po­li­tik müs­sen zwar kon­kret in der Ener­gie­po­li­tik, Stadt­pla­nung oder ande­ren Pro­duk­ti­ons­for­men for­mu­liert wer­den, aber sie wer­den durch trans­na­tio­na­le Auf­merk­sam­keit und gegen­sei­ti­ges Ler­nen gestärkt. So kamen Grup­pen nach Dakar, die gegen die repres­si­ve und öko­lo­gisch zer­stö­re­ri­sche Aus­beu­tung von Erd­öl etwa im Niger­del­ta oder gegen den Uran­ab­bau in Niger pro­tes­tie­ren. Das Mot­to der „Kli­ma­ge­rech­tig­keit“ wird zum Ober­be­griff einer ganz ande­ren Ener­gie­po­li­tik, die mit einem grund­le­gen­den Umbau der Pro­duk­ti­ons- und Lebens­wei­se ein­her­ge­hen muss. Eine For­de­rung war: „Lasst die fos­si­len Res­sour­cen im Boden!“ Die­se neu­en For­men der Ener­gie­kämp­fe wer­den auch auf der nächs­ten Kli­ma­kon­fe­renz im Dezem­ber in Dur­ban und wohl auch in der „Rio plus 20“-Konferenz bzw. dem Par­al­lel­kon­gress in Bra­si­li­en im Mai 2012 eine Rol­le spielen.

Kämp­fe um bes­se­re Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen in unter­schied­li­chen Regio­nen und Berei­chen sind tra­di­tio­nell ein zen­tra­les The­ma auf dem WSF. Gewerk­schaf­ten spiel­ten bei die­sem Forum jedoch eine deut­lich gerin­ge­re Rol­le als zuvor. Zum einen hat die Teil­nah­me inter­na­tio­na­ler Gewerk­schaf­te­rIn­nen, ins­be­son­de­re aus Euro­pa deut­lich abge­nom­men, was die Reso­nan­zen des WSF inner­halb der orga­ni­sier­ten Arbei­te­rIn­nen­be­we­gung erschwe­ren wird. In Öster­reich war bei­spiels­wei­se die erfolg­rei­che „Stopp GATS!“-Kampagne eine Fol­ge der Teil­nah­me öster­rei­chi­scher Gewerk­schaf­te­rIn­nen auf einem der ers­ten WSF in Por­to Alegre. Die Schwa­che Prä­senz der Gewerk­schaf­ten hängt wie­der­um mit dem Aus­tra­gungs­ort zusam­men. Bei etwa zehn Mil­lio­nen Ein­woh­ne­rIn­nen im Sene­gal mit einer weit­ge­hend infor­ma­li­sier­ten Öko­no­mie gibt es schät­zungs­wei­se 250.000 for­ma­li­sier­te Arbeits­ver­hält­nis­se. In den Nach­bar­län­dern dürf­te es nicht viel anders aus­se­hen. Die WSF in Bra­si­li­en hin­ge­gen wur­den ganz zen­tral von den dor­ti­gen Gewerk­schaf­ten getragen.

Alternative Entwicklung oder Alternativen zu Entwicklung?

In den Dis­kus­sio­nen ent­stand der Ein­druck, dass in (West-)Afrika noch viel stär­ker um „Ent­wick­lung“ in einem klas­si­schen und pro­gres­si­ven Sin­ne gerun­gen wird – der Begriff von real deve­lo­p­ment tauch­te immer wie­der auf –, näm­lich als Kampf gegen Armut und Kor­rup­ti­on, gegen den impe­ria­len Zugriff von außen (vor allem Euro­pas, aber auch Chi­nas oder Bra­si­li­ens) und für die Demo­kra­ti­sie­rung und Ver­bes­se­rung sozio-öko­no­mi­scher, poli­ti­scher und kul­tu­rel­ler Lebens­ver­hält­nis­se. Das WSF vor zwei Jah­ren in Belem brach­te neben die­ser auch dort prä­sen­ten Per­spek­ti­ve einen ande­ren Ton in die Debat­te, was damit zu tun hat, dass „Ent­wick­lung“ in vie­len latein­ame­ri­ka­ni­schen Län­dern der­zeit im obi­gen Sin­ne ja statt­fin­det – das dyna­mi­sche Wachs­tum ver­bes­sert die Lebens­la­ge von Mil­lio­nen, inte­griert mehr Men­schen in die for­mel­le und infor­mel­le Lohn­ar­beit, erhöht staat­li­che Ver­tei­lungs­spiel­räu­me. Doch dies geschieht um den Preis einer enor­men öko­lo­gi­schen Zer­stö­rung und um eine Schwä­chung von Alter­na­ti­ven zum impe­ria­len und neo­li­be­ra­len Welt­markt und zur impe­ria­len Lebens­wei­se in den kapi­ta­lis­ti­schen Zen­tren und der Mit­tel- und Ober­schich­ten in den Län­dern des Glo­ba­len Südens. Daher war in Belem und ist heu­te in Latein­ame­ri­ka eine eman­zi­pa­to­ri­sche Per­spek­ti­ve sicht­bar, der es um eine not­wen­di­ge Umori­en­tie­rung eben von „Ent­wick­lung“ selbst geht. Der in Belem pro­mi­nen­te Begriff der Zivi­li­sa­ti­ons­kri­se war in Dakar absent.

Aller­dings wird die­se Debat­te auch in Latein­ame­ri­ka – mit Aus­nah­me Boli­vi­ens und Ecua­dors – eher am Ran­de geführt. Vor zwei Jah­ren hat­te ich nach dem WSF for­mu­liert, dass eine der wich­tigs­ten Aus­wir­kun­gen des WSF sein könn­te, der öko­lo­gi­schen Rase­rei im Ama­zo­nas Ein­halt zu gebie­ten. Doch das ist nicht gesche­hen. Das Was­ser­kraft­pro­jekt Belo Mon­te in einem Sei­ten­fluss des Ama­zo­nas, das drei Tal­sper­ren und zwei Stau­se­en von der Grö­ße des Boden­sees schaf­fen soll, über zehn Pro­zent des bra­si­lia­ni­schen Strom­be­darfs decken soll und enor­me sozio-öko­lo­gi­sche Impli­ka­tio­nen hat, ist im Janu­ar in die letz­te Pla­nungs­pha­se gegan­gen (ursprüng­lich war eine vier Mal so gro­ße Flä­che geplant, doch das Pro­jekt wur­de nach mas­si­ven Pro­tes­ten ver­klei­nert). Statt eine Poli­tik der Ener­gie­ef­fi­zi­enz und des Ener­gie­spa­rens zu för­dern, flie­ßen Mil­li­ar­den-Inves­ti­tio­nen in ein Pro­jekt, das zudem sehr stark der welt­markt­ori­en­tier­ten Mon­tan­in­dus­trie zugutekommt.

Perspektiven des WSF: Raum oder Akteur oder …

Aller­dings dür­fen die tages­ak­tu­el­len Gescheh­nis­se in Nord­afri­ka nicht dar­über hin­weg täu­schen, dass das WSF neben den erfreu­li­chen Ent­wick­lun­gen in eini­gen Berei­chen der­zeit nicht in der Lage ist, umfas­sen­de Dis­kus­sio­nen dahin­ge­hend zu orga­ni­sie­ren, dass wirk­lich glo­ba­le Bezugs­punk­te ent­ste­hen. In Belem 2009 deu­te­te sich das mit dem bereits erwähn­ten Begriff der Zivi­li­sa­ti­ons­kri­se an, doch es wur­de nicht wei­ter­ge­führt. Das WSF ist auch kein Anzie­hungs­punkt für Intel­lek­tu­el­le, die in span­nen­den und plu­ra­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen auf sol­che Bezugs­punk­te hin­ar­bei­ten könnten.

Der Modus der the­ma­tisch ori­en­tier­ten und auf Stra­te­gie­ent­wick­lung und Aktio­nen ori­en­tier­ten Ver­samm­lun­gen in der zwei­ten Hälf­te des Forums – in die­sem Jahr waren es um die vier­zig – hat sich zwar als geeig­net erwie­sen, um in den je spe­zi­fi­schen Kon­flikt­fel­dern hand­lungs­fä­hig zu wer­den. Und den­noch stellt sich ange­sichts der mul­ti­plen Kri­se die Fra­ge gemein­sa­mer Bezugs­punk­te ganz drin­gend. Wie könn­te bei­spiels­wei­se eine umfas­sen­de Ori­en­tie­rung an Gerech­tig­keit und Soli­da­ri­tät die Spe­zi­fi­tät der ein­zel­nen eman­zi­pa­to­ri­schen Kämp­fe ver­deut­li­chen und den­noch auf etwas Gemein­sa­mes hin ori­en­tie­ren? Den Neo­li­be­ra­len ist es ja gelun­gen, mit den Begrif­fen Frei­heit und Effi­zi­enz ihre Inter­es­sen im Sin­ne einer kapi­ta­lis­ti­schen Ratio­na­li­tät in den meis­ten gesell­schaft­li­chen Berei­chen zu ver­an­kern. Die Bewe­gung für eine ande­re Glo­ba­li­sie­rung agiert, mei­nes Erach­tens sinn­vol­ler­wei­se, in ein­zel­nen Kon­flikt­fel­dern, doch in die­sen arti­ku­lie­ren sich ja über­grei­fen­de Ent­wick­lun­gen und es müs­sen gemein­sa­me Bezugs­punk­te her­ge­stellt wer­den. Der Ver­zicht dar­auf, wie bei den ers­ten WSF zen­tra­le „gro­ße“ Debat­ten zu orga­ni­sie­ren, ist zum einen berech­tigt, da eben dadurch die Man­nig­fal­tig­keit der Kämp­fe aner­kannt wird (und die­se Debat­ten waren auf den ers­ten WSF nicht all­zu pri­ckelnd). Sie ist aber in der­zeit dyna­mi­schen Zei­ten wie die­sen, in denen es durch­aus um Ori­en­tie­rung geht, auch ein Manko.

Es gibt wei­ter­hin eine inten­si­ve Dis­kus­si­on dar­über, ob das WSF eher ein poli­ti­scher Raum blei­ben soll, in dem sich unter­schied­lichs­te Bewe­gun­gen tref­fen kön­nen, um in den Fel­dern wie Land­wirt­schaft, Migra­ti­on, Kli­ma­po­li­tik, Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit, Anti­ras­sis­mus oder Welt­han­del ihre Erfah­run­gen aus­zu­tau­schen und Stra­te­gien zu entwickeln.

Eine ande­re Posi­ti­on argu­men­tiert, dass das WSF zu einem poli­ti­schen Akteur wer­den sol­le, der ein­heit­li­cher auf der welt­po­li­ti­schen Büh­ne auf­tritt und damit an Ein­fluss gewinnt. Ber­nard Cas­sen, Mit­be­grün­der von Attac-Frank­reich und einer der Prot­ago­nis­ten der Aus­rich­tung des WSF als Akteur, will mit die­ser Posi­ti­on die angeb­lich durch die Viel­falt des WSF ver­ur­sach­te Schwä­che über­win­den. Er argu­men­tiert, dass ein „Bruch“ mit dem aktu­ell vor­herr­schen­den neo­li­be­ra­len Modell eben nur mit einem WSF mög­lich wäre, das stär­ker einen Akteurs­sta­tus annimmt. Auf den ers­ten Blick spricht für die­se Posi­ti­on, dass die „Ver­samm­lung der Bewe­gun­gen“, die sich jeweils gegen Ende des Forums als Zusam­men­kunft der radi­ka­le­ren Kräf­te trifft, ein eher hilf­lo­ses, sich in All­ge­mein­plät­zen ver­lie­ren­des, stra­te­gisch unbrauch­ba­res Doku­ment als Abschluss-State­ment ange­nom­men hat.

Cas­sen hat Recht: In der Tat feh­len kla­re Trans­for­ma­ti­ons­stra­te­gien und das WSF hat erheb­li­che Pro­ble­me, die Hand­lungs­fä­hig­keit von Bewe­gun­gen zu ver­bes­sern. Doch die Seman­tik des Cas­sen­schen Argu­ments ist, dass im Raum viel gere­det, aber nicht gehan­delt wird. Das stimmt, trotz allem nicht genutz­ten Poten­zi­als, so nicht.

Zwei Argu­men­te spre­chen dafür, das WSF als struk­tu­rier­ten und struk­tu­rie­ren­den Raum im Lich­te der Erfah­run­gen wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Zum einen wird zuvor­derst in den kon­kre­ten Kon­flikt­fel­dern agiert wie Finanz­markt­re­gu­lie­rung, die Stär­kung der Frau­en-Men­schen­rech­te, Migra­ti­on und Anti­ras­sis­mus oder für eine ande­re Ener­gie- und Kli­ma­po­li­tik. Zusam­men­hän­ge und Kon­ver­gen­zen müs­sen ana­ly­tisch wie poli­tisch her­ge­stellt wer­den. Das kann nicht „von oben“, durch den Inter­na­tio­nal Coun­cil oder eine ande­re Kraft lau­fen, denn dann besteht die Gefahr einer ver­ein­heit­li­chen­den Welt­sicht und der Suche nach ein­heit­li­chen Akteu­ren. Wenn man sieht, wie die ortho­do­xen, oft genug euro­zen­tri­schen und links-eta­tis­ti­schen Strö­mun­gen eben der Viel­fäl­tig­keit von Lebens­er­fah­run­gen und die Suche nach Alter­na­ti­ven aus­blen­den, wünscht man sich auch nicht unbe­dingt, dass die­se Stra­te­gien von den selbst­er­nann­ten Vor­den­kern for­mu­liert wer­den, die all­zu schnell bei der/​ihrer radi­ka­len poli­ti­schen Par­tei landen.

Zwei­tens fin­den Ansatz­punk­te oder gar prak­ti­sche Poli­ti­ken des Bruchs mit neo­li­be­ral-impe­ria­len oder gar kapi­ta­lis­ti­schen Logi­ken, das zei­gen die letz­ten Jah­re, eben eher auf loka­ler und natio­nal­staat­li­cher Ebe­ne (sie­he Latein­ame­ri­ka) oder in den spe­zi­fi­schen Kon­flikt­fel­dern statt. Ich habe kei­ne Lösung für die rela­ti­ve Schwä­che eman­zi­pa­to­ri­scher Poli­tik auf glo­ba­ler Ebe­ne. Mir scheint die poli­ti­sche Auf­wer­tung des WSF zu einem Akteur eher als Aus­druck von Hilf­lo­sig­keit. Hand­lungs­fä­hig­keit, und davon war Dakar ja wie­der­um ein Beleg und Ägyp­ten ließ grü­ßen, stellt sich kom­ple­xer und kon­tin­gen­ter her.

Ausblick

Auf der Ebe­ne trans­na­tio­na­ler Stra­te­gie­ent­wick­lun­gen könn­te in den kom­men­den Jah­ren eine zuneh­men­de Süd-Süd-Ver­net­zung von Intel­lek­tu­el­len und Akti­vis­tIn­nen mit teil­wei­se gutem Zugang zu pro­gres­si­ven Regie­run­gen wich­ti­ger wer­den. In Dakar gab es dazu ein von Samir Amin initi­ier­tes Tref­fen und in den kom­men­den Mona­ten soll ein Arbeits­pro­gramm for­mu­liert wer­den. Inter­es­sant wird hier in Zukunft sein, wie bei pro­gres­si­ven Kräf­ten damit umge­gan­gen wird, dass die aktu­el­len poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Süd-Süd-Koope­ra­tio­nen oft genug sub­im­pe­ri­al imprä­gniert sind, denn die Regie­run­gen Bra­si­li­ens, Chi­nas, Indi­ens oder Süd­afri­kas bean­spru­chen eine Füh­rungs­rol­le für ihre Regi­on oder „den“ Süden. Die mas­siv zuge­nom­me­nen west­afri­ka­ni­schen Lebens­mit­tel­im­por­te aus Bra­si­li­en stel­len für die Land­wirt­schaft eben­so eine Gefahr dar wie jene aus Europa.

Das Forum steht für einen lang­at­mi­gen Pro­zess. Das geht mit Rück­schlä­gen ein­her wie etwa die kei­nes­wegs pro­gres­si­ve Bear­bei­tung der Wirt­schafts- und Finanz­kri­se, wodurch die glo­ba­len Pro­ble­me eher ver­grö­ßert wer­den und inner­halb sozia­ler Bewe­gun­gen ten­den­zi­ell für Frus­tra­ti­on sor­gen. Immer wie­der wur­de auch Kri­tik dar­an geäu­ßert, dass der Sozi­al­fo­rums­pro­zess in Euro­pa nicht funk­tio­niert. Doch es gibt kei­ne Alter­na­ti­ve dazu, in auf­wen­di­gen Such- und Lern­pro­zes­sen trans­na­tio­na­les Momen­tum zu gewin­nen. In eini­gen Berei­chen scheint das zu gelin­gen, in ande­ren weniger.

In Euro­pa bestehen dafür nach dem desas­trö­sen Euro­päi­schen Sozi­al­fo­rum im letz­ten Som­mer kaum Anknüp­fungs­punk­te. Ganz im Gegen­teil offen­bar zu dem kurz vor dem ESF statt­ge­fun­de­nen US-ame­ri­ka­ni­schen Sozi­al­fo­rum. Vie­le berich­te­ten von dem Tref­fen in Detroit im letz­ten Juni fast eupho­risch, da es gelun­gen sei, vie­le Men­schen zu invol­vie­ren, eine Kul­tur des Zuhö­rens und Aus­tausch zu schaf­fen und die eine oder ande­re Per­spek­ti­ve ver­bind­li­cher Koope­ra­ti­on zu entwickeln.

Das WSF in Dakar ist mit dem ESF 2010 auf kei­nen Fall ver­gleich­bar. Und den­noch hat­te man bei bei­den Tref­fen teil­wei­se (und wirk­lich nur teil­wei­se!) den Ein­druck, dass es nicht um das geht, wofür die Sozi­al­fo­rums­be­we­gung geschaf­fen wur­de: Eman­zi­pa­to­ri­sche Poli­ti­ken auf der Höhe der Zeit und unter gar nicht gemüt­li­chen Bedin­gun­gen zu formulieren.

Es gibt aber kei­ne Alter­na­ti­ve zum WSF. Es muss sich, um ein immer wie­der gebrauch­tes Wort zu nut­zen, mit der Unter­stüt­zung vie­ler neu erfin­den, damit es ein struk­tu­rier­ter wie struk­tu­rie­ren­der Raum ist und von ihm Impul­se aus­ge­hen. Ob es dafür bes­ser zum wie­der­hol­ten Male an den­sel­ben Orten statt­fin­det, also in gewis­ser Wei­se zwi­schen drei oder vier Orten wan­dert, um das so drin­gend benö­tig­te orga­ni­sa­to­ri­sche Erfah­rungs­wis­sen zu akku­mu­lie­ren, ist eine so offe­ne wie wich­ti­ge Fra­ge. Auf jeden Fall soll­te es dort statt­fin­den, wo es dyna­mi­sche Bewe­gun­gen gibt, es also in der Erfah­rung der Bewe­gun­gen vor Ort um etwas geht und das auch prak­tisch ange­gan­gen wird.

Die­ser Bei­trag erscheint hier in gekürz­ter Form. Der Autor dankt der Rosa-Luxem­burg-Stif­tung dafür, dass sie ihm die Teil­nah­me am WSF ermög­lich­te. Kurz­ver­sio­nen des Bei­tra­ges erschie­nen zB auch in „Freitag.online“ und „Wie­ner Zei­tung“.

http://fsm2011.org/en


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Demokratisierung und aufkommende Postdemokratie

Januar. 19th 2010 — 16:20

Bei­trag[1] von Bern­hard Leu­bolt [2]

Die aktu­el­le Trans­for­ma­ti­on der Demo­kra­tie um das Span­nungs­feld von Gerech­tig­keit und Glo­ba­li­sie­rung ist Leit­the­ma die­ses Bei­trags. Dafür wird erst die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der demo­kra­ti­schen Idee kurz umris­sen, um davon aus­ge­hend ide­al­ty­pisch Dimen­sio­nen demo­kra­ti­scher Ent­wick­lung zu skiz­zie­ren. Der hier prä­sen­tier­te Ide­al­ty­pus geht in drei­er­lei Hin­sicht über kon­ven­tio­nel­le Sicht­wei­sen hin­aus, die Demo­kra­tie auf Wahl- und Eigen­tums­recht redu­zie­ren: (1) Auf Pro­zess­ebe­ne wird die Ergän­zung reprä­sen­ta­ti­ver Demo­kra­tie durch direk­te und par­ti­zi­pa­ti­ve For­men vor­ge­schla­gen; [3] auf inhalt­li­cher Ebe­ne wer­den sowohl (2) sozia­le als auch (3) Wirt­schafts­de­mo­kra­tie als not­wen­di­ge Ergän­zun­gen the­ma­ti­siert. Tabel­le 1 skiz­ziert die­ses brei­te Ver­ständ­nis von Demo­kra­tie, das im anschlie­ßen­den Kapi­tel näher dar­ge­stellt wird. Auf die­ser Grund­la­ge wird die Ent­wick­lung der Demo­kra­tie ab dem Ende des Zwei­ten Welt­kriegs behan­delt. Beson­ders her­aus­ge­stellt wer­den dabei Debat­ten um das Auf­kom­men von „Post­de­mo­kra­tie“.

Tabel­le: Dimen­sio­nen von Demo­kra­tie[4]

Pro­zess Inhalt
Bereich Poli­tisch Sozio-öko­no­misch
Wor­über? Regel­set­zung Resul­tats-ori­en­tiert
Ide­al Frei­heit Gleich­heit und Gerechtigkeit
Wie? Teil­habe an poli­ti­schen Entscheidungen
Staats­macht: büro­kra­tisch /​​ öffent­lich /​​ pri­vat
Partizipation
Zugang zu Ressourcen
Sozia­le und öko­no­mi­sche Rech­te: uni­ver­sell oder par­ti­ell („Treff­si­cher­heit“)
For­men Direkt, reprä­sen­ta­tiv, partizipativ Wohl­fahrts­staat, betrieb­li­che Demokratie

Demokratie – Begriffsbestimmung und Geschichte

Der Begriff „Demo­kra­tie“ kommt aus dem anti­ken Grie­chen­land und schließt die Begrif­fe Volk (démos) und Herr­schaft (kra­tía) ein. Der Begriff hat­te jedoch damals nicht unbe­dingt eine posi­ti­ve Kon­no­ta­ti­on, son­dern war viel­mehr „ein par­tei­li­cher Ter­mi­nus, der von den obe­ren Klas­sen geprägt wur­de, um die ‚Über­macht’ (krá­tos) der Besitz­lo­sen (démos) zu bezeich­nen, wenn ‚Demo­kra­tie’ herrscht“, wie Can­fo­ra in sei­ner „kur­zen Geschich­te der Demo­kra­tie“ anmerkt. [5] Demo­kra­tie wur­de mit Cha­os gleich­ge­setzt, das ein­tre­te, wenn die unge­bil­de­ten Mas­sen die Macht über­neh­men. Daher distan­zier­te sich ins­be­son­de­re Pla­to von die­ser Herr­schafts­form.[6] In der „Wie­ge der Poli­tik“ Athen eta­blier­te sich in wei­te­re Fol­ge dann auch eine Herr­schafts­form, die die­se Kri­tik berück­sich­tig­te. Nicht-ver­sklav­te männ­li­che Bür­ger (teil­wei­se auch bloß Krie­ger) fäll­ten poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen. Schon in die­ser Zeit war Staats­bür­ger­schaft (im Stadt­staat) Vor­aus­set­zung zur Teil­nah­me an den kol­lek­ti­ven Ent­schei­dun­gen. Außer­dem muss­te das Ein­kom­men groß genug sein, um Steu­ern zu ent­rich­ten und auch Wehr­dienst muss­te geleis­tet wer­den. Alle Frau­en und die Mehr­heit der Män­ner blie­ben somit aus­ge­schlos­sen. Daher kann Demo­kra­tie in ihren klas­si­schen Ursprün­gen im anti­ken Grie­chen­land mit Can­fo­ra als „Gemein­schaft bewaff­ne­ter Män­ner“ [7] bezeich­net werden.

Die dahin­ter ste­hen­de gesell­schaft­li­che Tra­di­ti­on setzt sich seit­her wei­test­ge­hend durch. Mit Ran­ciè­re gespro­chen, „gibt es [in den Augen der Mäch­ti­gen bzw. der ‚Olig­ar­chie’] nur eine gute Demo­kra­tie, die­je­ni­ge, die die Kata­stro­phe demo­kra­ti­scher Zivi­li­sa­ti­on ver­hin­dert“ [8]. Nach Ran­ciè­re war es stets die gesell­schaft­li­che Min­der­heit einer „Olig­ar­chie“, die ihre über Her­kunft, Reich­tum und Bil­dung erreich­ten Pri­vi­le­gi­en nicht an die Mas­sen bzw. „den Pöbel“ abge­ben wollte.

In der wei­te­ren geschicht­li­chen Ent­wick­lung zeig­te sich dann auch, dass die ers­ten „demo­kra­ti­schen Rech­te“ libe­ra­le Grund­rech­te zum Schutz des Indi­vi­du­ums vor staat­li­chen Ein­grif­fen waren. Die auf­kom­men­de bür­ger­li­che Öffent­lich­keit [9], die sich in den Salons und Kaf­fee­häu­sern for­mier­te, ver­lang­te nach Schutz vor staat­li­cher Will­kür. Wich­tigs­tes bür­ger­li­ches Anlie­gen war jedoch auch in die­ser Zeit schon der Schutz ihres pri­va­ten Eigen­tums und der fami­liä­ren Pri­vat­sphä­re vor staat­li­chen oder frem­den Ein­flüs­sen. Die­se Ent­wick­lung ging ein­her mit der zuneh­men­den Eta­blie­rung kapi­ta­lis­ti­scher Ver­ge­sell­schaf­tung. [10] In der Rechts­ge­schich­te schlägt sie sich in der frü­hen Eta­blie­rung des Eigen­tums­rechts als ers­tem ver­brief­ten Recht nie­der. Die in die­sem Zusam­men­hang garan­tier­te Frei­heit wird in der Phi­lo­so­phie als „nega­ti­ve Frei­heit“ bezeich­net, die nach Isaiah Ber­lin [11] einen Zustand bezeich­net, in dem kei­ne von ande­ren Men­schen oder Orga­ni­sa­tio­nen aus­ge­hen­den Zwän­ge indi­vi­du­el­les Ver­hal­ten erschwe­ren oder verhindern.

Posi­tive Frei­heit impli­ziert hin­ge­gen die Mög­lich­keit, die nega­tive Frei­heit von frem­den Ein­flüs­sen auch dahin gehend zu nut­zen, das eige­ne Leben zu gestal­ten. „No taxa­tion wit­hout rep­re­sen­ta­tion“ war dies­be­züg­lich die For­de­rung, mit der sich die bri­ti­sche Bour­geoi­sie gegen­über den Ade­li­gen durch­set­zen konn­te. Auch die fran­zö­si­sche Revo­lu­tion war von ähn­li­chen Gedan­ken getra­gen. In die­sem Fall stütz­te sich die bür­ger­li­che Bewe­gung jedoch gleich­zei­tig auch auf die gro­ße Mehr­heit der Bevöl­ke­rung wie die Losung „Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit“ auf­zeigt. Nach der Nie­der­schla­gung von Jako­bi­ne­rIn­nen und Sans­cu­lot­tes um Robes­pierre setz­te sich aber auch hier das Besitz­bür­ger­tum durch. Das Wahl­recht war dann – wie in Eng­land – von Klas­sen­zu­ge­hö­rig­keit, Bil­dungs­stand und Geschlecht abhän­gig. Ana­log zum anti­ken Grie­chen­land wur­den die Vor­rechte der patri­ar­cha­len Olig­ar­chie also auch im Zuge der bür­ger­li­chen Revo­lu­tion kaum beein­träch­tigt. [12]

Demo­kra­ti­sie­rung im 20. Jahrhundert

Mit weni­gen Aus­nah­men wur­de das all­ge­meine Wahl­recht erst im 20. Jahr­hun­dert eta­bliert und das auch oft bloß etap­pen­weise. Das Frau­en­wahl­recht folg­te dabei meist zuletzt, was die patri­ar­chale Tren­nung zwi­schen den Män­nern vor­be­hal­te­ner „Öffent­lich­keit“ und den Frau­en zuge­schrie­be­ner „Pri­vat­heit“ im Fami­li­en­haus­halt wie­der­spie­gelt. Wäh­rend Frau­en Für­sor­ge­ar­beit im Pri­vat­haus­halt zuge­schrie­ben wird, sind Män­ner in den Berei­chen von Lohn­ar­beit und Poli­tik präsent.

Hin­ter der Errei­chung des all­ge­mei­nen Wahl­rechts stan­den mas­sive gesell­schaft­li­che Kämp­fe. In Euro­pa war die Arbei­te­rIn­nen­be­we­gung – in wei­ten Tei­len reprä­sen­tiert durch sozia­lis­ti­sche oder sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Par­teien – zen­trale Prot­ago­nis­tin für die­sen demo­kra­ti­schen Wan­del, der vor allem in den Zei­ten nach den Welt­krie­gen statt­fand. Die pro­pa­gierte Vor­stel­lung von Demo­kra­tie umfass­te jedoch nicht bloß poli­ti­sche, son­dern auch sozia­le Rech­te. Beson­de­res Augen­merk wur­de dabei auf Arbeits­rechte gelegt, aber auch die Demo­kra­ti­sie­rung der Arbeits­welt wur­de dis­ku­tiert. Wäh­rend des Zusam­men­bruchs der Mon­ar­chie arbei­tete z.B. die öster­rei­chi­sche Sozi­al­de­mo­kra­tie unter Otto Bau­er dar­auf hin, demo­kra­ti­sche Struk­tu­ren betrieb­li­cher Selbst­ver­wal­tung zu initi­ie­ren, was in den Bestim­mun­gen zu den Betriebs­rä­ten Ein­zug in die öster­rei­chi­sche Ver­fas­sung gefun­den hat. Ten­den­zen zur Eta­blie­rung von sozio-​​öko­no­mi­scher Demo­kra­tie wur­den jedoch auch in die­ser Pha­se von kon­ser­va­ti­ven und libe­ra­len Kräf­ten abge­schwächt oder ver­hin­dert.[13]

Erst nach dem 2. Welt­krieg setz­te dann eine neue Dyna­mik ein: die Ent­wick­lung von Wohl­fahrts­staa­ten in Euro­pa. In die­ser Zeit war ein anti­fa­schis­ti­scher Grund­kon­sens die Basis für die Betei­li­gung von sozia­lis­ti­schen und kom­mu­nis­ti­schen Par­teien in ver­fas­sungs­ge­ben­den Ver­samm­lun­gen.[14] Die resul­tie­ren­den Ver­fas­sun­gen ent­hiel­ten weit­ge­hen­dere Arbeits­rechte als je zuvor. Öko­no­misch setz­te sich das Modell des Keyne­sia­nis­mus bzw. „For­dis­mus“ durch, das auf Mas­sen­pro­duk­tion für den Mas­sen­kon­sum inner­halb der Natio­nal­staa­ten abziel­te. Hen­ry Fords Losung, dass „sei­ne Arbei­ter sich sei­ne Autos leis­ten kön­nen müs­sen“, wur­de Pro­gramm. Kor­po­ra­tis­ti­sche Arran­ge­ments nah­men „sozi­al­part­ner­schaft­li­che“ For­men an – Gewerk­schaf­ten beka­men somit eine akti­ve Rol­le bei der For­mu­lie­rung von Poli­tik. Frau­en blie­ben dabei weit­ge­hend aus­ge­schlos­sen, da sowohl Staat als auch kor­po­ra­tis­ti­sche Orga­ni­sa­tio­nen von Män­ner­bün­den[15] domi­niert wurden.

Sozi­al­po­li­tik – ursprüng­lich von Bis­mark zur Schwä­chung der Arbei­te­rIn­nen­be­we­gung ein­ge­führt – wur­de stark aus­ge­baut. Der bri­ti­sche Sozio­loge T.H. Mar­shall sprach von der Eta­blie­rung von „sozia­ler Staats­bür­ger­schaft“ (social citi­zenship).[16] Durch die Gewäh­rung von poli­ti­schen und sozia­len Rech­ten wür­den Klas­sen­un­ter­schiede lang­sam ver­schwin­den und statt­des­sen wür­den sich glei­che Staats­bür­ge­rIn­nen gegen­über­tre­ten. Die Uni­ver­sa­li­sie­rung von öffent­li­chen Dienst­leis­tun­gen – ins­be­son­dere von sozi­al­po­li­ti­schen wie Bil­dungs­ein­rich­tun­gen und Gesund­heits­ver­sor­gung – war dafür essen­zi­elle Grund­lage. Gesetz­lich garan­tierte sozia­le Rech­te, die ein­ge­klagt wer­den konn­ten, stell­ten einen gro­ßen Unter­schied zur vor­her gege­be­nen Abhän­gig­keit von Almo­sen gut­mü­ti­ger rei­cher Men­schen dar. Ide­al­ty­pisch kann daher die Ent­wick­lung der Demo­kra­tie in Euro­pa mit der schritt­wei­sen Ein­füh­rung bzw. dem Erkämp­fen von libe­ra­len Grund­rech­ten (civil rights), poli­ti­schen Rech­ten und sozia­len Rech­ten ver­stan­den wer­den.[17]

Die als Ergeb­nis des „demo­kra­ti­schen Klas­sen­kamp­fes“[19] eta­blier­ten staat­li­chen Sozi­al­leis­tun­gen grif­fen auch in polit-​​öko­no­mi­sche Pro­zesse ein. Der Pro­zess der Kom­mo­di­fi­zie­rung, d.h. des „zur Ware wer­dens“ bzw. der Inwert­set­zung von Arbeits­pro­duk­ten, wur­de in man­chen Berei­chen rück­gän­gig gemacht – z.B. muss­te dann für den Besuch von Schu­len oder Kran­ken­häu­sern kein indi­vi­du­el­ler Preis mehr bezahlt wer­den. In der Lite­ra­tur wird der ent­spre­chende Pro­zess als „De-​​Kom­mo­di­fi­zie­rung“ bezeich­net, wodurch „Anti-​​Wert“ ent­ste­hen konn­te.[20] Durch steu­er­lich finan­zierte staat­li­che Leis­tun­gen wur­den eini­ge Berei­che der Pro­fit­lo­gik ent­zo­gen, was posi­tive Aus­wir­kun­gen auf die Bür­ge­rIn­nen hat­te, die sozia­le Rech­te gül­tig machen konnten:

Indem er Armut, Arbeits­lo­sig­keit und tota­ler Lohn­ab­hän­gig­keit ein Ende setzt, stei­gert der Wohl­fahrts­staat poli­ti­sche Res­sour­cen und ver­rin­gert zugleich jene sozia­len Spal­tun­gen, die die poli­ti­sche Ein­heit der Arbei­ter­schaft gefähr­den.“[21]

Gleich­zei­tig begüns­tigte die De-​​Kom­mo­di­fi­zie­rung auch die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung. Die staat­li­che Bereit­stel­lung sozia­ler Dienst­leis­tun­gen begüns­tigt in viel­fa­cher Wei­se der Repro­duk­tion der mensch­li­chen Arbeits­kraft. Staat­li­che Bil­dung kann betrieb­li­che Wei­ter­bil­dung teil­weise erset­zen, staat­li­che Gesund­heits­ver­sor­gung ver­rin­gert krank­heits­be­dingte Arbeits­aus­fälle, usw. Auch Geschlech­ter­ver­hält­nisse kön­nen durch Pro­zesse der De-​​Kom­mo­di­fi­zie­rung beein­flusst wer­den. Die vor­hin erwähn­te Tren­nung in „Pri­vat­heit“ und „Öffent­lich­keit“ im Arbeits­le­ben kann durch staat­li­che Ange­bote von Für­sor­ge­ar­beit (Care) wie Kin­der– und Alten­be­treu­ung dahin­ge­hend beein­flusst wer­den, dass Frau­en am Arbeits­le­ben teil­neh­men. Der damit ein­her­ge­hende Pro­zess von Kom­mo­di­fi­zie­rung ist ein dop­pel­ter: (1) Die neu ent­ste­hen­den Arbeits­plätze wer­den größ­ten­teils von Frau­en aus­ge­übt und (2) eröff­net die staat­li­che Über­nahme der Für­sor­ge­ar­beit Frau­en die Mög­lich­keit zur Lohn­ar­beit. Esping-​​An­der­sen bezeich­net die­se Pro­zesse als De-​​Fa­mi­lia­ri­sie­rung,[22] die in ers­ter Linie in den sozi­al­de­mo­kra­tisch gepräg­ten Wohl­fahrts­staa­ten in Skan­di­na­vien ein­ge­tre­ten ist. In den libe­ra­len sowie den kon­ser­va­ti­ven Wohl­fahrts­staa­ten Mit­tel– und Süd­eu­ro­pas ist Sozi­al­po­li­tik hin­ge­gen noch stär­ker fami­lia­ri­siert.[23] Wäh­rend in libe­ra­len Wohl­fahrts­staa­ten und in Süd­eu­ropa der Grad der De-​​Kom­mo­di­fi­zie­rung rela­tiv gering ist, wur­de in Zen­tral­eu­ropa trotz De-​​Kom­mo­di­fi­zie­rung rela­tiv wenig de-​​fa­mi­lia­ri­siert. Das Modell des männ­li­chen Fami­li­e­n­er­näh­rers wur­de hier in der Zeit der dyna­mi­schen Ent­wick­lung der Sozi­al­po­li­tik kaum ange­tas­tet. Anders als in Skan­di­na­vien wur­de in den 1960er und 1970er Jah­ren von staat­li­cher Sei­te nicht ver­sucht, den staat­li­chen Bedarf an Arbeits­plät­zen durch die Inte­gra­tion von Frau­en in die Lohn­ar­beit zu decken. Viel­mehr wur­de hier auf männ­li­che „Gast­ar­bei­ter“ gesetzt.[24] Die staat­lich for­cier­ten Migra­ti­ons­pro­zesse führ­ten gleich­zei­tig auch Pro­bleme vor Augen, die mit der Kop­pe­lung von sozia­len Rech­ten an Staats­bür­ger­schaft ver­bun­den sind. Pro­zesse der Über­aus­beu­tung migran­ti­scher Arbeits­kraft waren auch ers­te Ansatz­punkte zur Auf­kün­di­gung des for­dis­ti­schen Wohl­fahrts­staats, der auf der kon­ti­nu­ier­li­chen Aus­wei­tung des Mas­sen­kon­sums basier­te.[25]

Die Wel­le der Demo­kra­ti­sie­rung erfass­te bis in die 1970er Jah­re immer wei­tere Berei­che. In Öster­reich wur­de unter Krei­sky – im Rah­men der kor­po­ra­tis­ti­schen Tra­di­tion – bei­spiels­weise auch das Bil­dungs­we­sen für die Betei­li­gung von betrof­fe­nen Grup­pen geöff­net. Sozio-​​öko­no­mi­sche Demo­kra­ti­sie­rung ging dabei mit poli­ti­scher Demo­kra­ti­sie­rung ein­her, da gleich­zei­tig der Zugang ver­brei­tert und die Betei­lig­ten an Ent­schei­dun­gen betei­ligt wur­den. Die schon erwähn­ten Pro­ble­ma­tik der domi­nie­ren­den Män­ner­bünde setz­te sich aber auch in die­ser Pha­se fort. Der deut­sche Ungleich­heits­for­scher Kre­ckel führt dies vor allem dar­auf zurück, dass der (in Öster­reich und Deutsch­land domi­nante) Kor­po­ra­tis­mus an der männ­lich domi­nier­ten Erwerbs­ar­beit anknüpf­te und Frau­en daher auto­ma­tisch aus­schloss.[26]

Die zuneh­mende Büro­kra­ti­sie­rung kann als wei­te­res Pro­blem betrach­tet wer­den. Auf der einen Sei­te hel­fen büro­kra­ti­sche Pro­ze­du­ren zwar, per­sön­li­che Herr­schafts­for­men ein­zu­däm­men, da glei­che Regeln für alle zu gel­ten haben.[27] Gleich­zei­tig ist die Büro­kra­tie auch ein hier­ar­chi­sches Sys­tem, das dazu ten­diert, sich vom gesell­schaft­li­chen Leben abzu­kop­peln. Staat­lich erbrach­te Dienst­leis­tun­gen wur­den daher viel­fach nicht als öffent­li­che (d.h. tat­säch­lich gesell­schaft­lich und demo­kra­tisch) Leis­tun­gen iden­ti­fi­ziert – weder sei­tens der Nut­ze­rIn­nen noch sei­tens der Beam­tIn­nen. Neben die­ser Pro­ble­ma­tik zeig­te sich schon im „gol­de­nen Zeit­al­ter“ der sozio-​​öko­no­mi­schen Demo­kra­ti­sie­rung im For­dis­mus, dass die Ver­brei­te­rung des Zugangs teil­weise zu Qua­li­täts­ver­lus­ten führ­te. Die Phä­no­mene von „Mas­sen­kul­tur“ und der dadurch beding­te Struk­tur­wan­del der Öffent­lich­keit wur­den beson­ders von Ver­tre­tern der Frank­fur­ter Schu­le (v.a. Haber­mas, Ador­no, Hork­hei­mer) aus­ge­ar­bei­tet. So schrei­ben Hork­hei­mer und Adorno[28] schon 1944:

Die Abschaf­fung des Bil­dungs­pri­vi­legs durch Aus­ver­kauf lei­tet die Mas­sen nicht in die Berei­che, die man ihnen ehe­dem vor­ent­hielt, son­dern dient, unter den beste­hen­den gesell­schaft­li­chen Bedin­gun­gen, gera­de dem Zer­fall der Bil­dung, dem Fort­schritt der bar­ba­ri­schen Beziehungslosigkeit.“

Die in der „Dia­lek­tik der Auf­klä­rung“ ent­hal­tene Kri­tik am Ver­lust der kri­ti­schen Bil­dung, die ursprüng­lich dazu gedient hat­te, das gesell­schaft­li­che Esta­blish­ment auf ihre Füh­rungs­rol­len in Poli­tik und Wirt­schaft vor­zu­be­rei­ten, um dann von Mas­sen (aus)bildung abge­löst zu wer­den, deren Haupt­auf­gabe die Vor­be­rei­tung auf den Arbeits­markt war, wur­de von Haber­mas noch brei­ter auf die Gesell­schaft bezo­gen. Die kri­ti­sche bür­ger­li­che Öffent­lich­keit wur­de durch eine durch kom­mer­zi­elle Inter­es­sen „ver­mach­tete“ Öffent­lich­keit der Mas­sen­kul­tur und –gesell­schaft abge­löst.[29] In Bezug auf die Trans­for­ma­tion der Demo­kra­tie hat­te Agnoli[30] ähn­li­che Gedan­ken: Er radi­ka­li­sierte die bür­ger­lich-​​auf­klä­re­ri­sche Kri­tik der Frank­fur­ter Schu­le dahin­ge­hend, die Kon­ti­nui­tät der Pro­zesse der gesell­schaft­li­chen Abson­de­rung der Herr­schen­den auf­zu­zei­gen. In der sich eta­blie­ren­den Mas­sen­ge­sell­schaft ent­wi­ckelte sich ein Typus der Mas­sen– bzw. Staats­par­tei, die einen star­ken „Zug zur poli­ti­schen Mit­te“ auf­weist. Dafür ist es not­wen­dig, dass sich Par­teien weg von ihren Mit­glie­dern ent­wi­ckel­ten, was meist über Büro­kra­ti­sie­rung geschah. An die Stel­le gesell­schaft­li­cher Aus­ein­an­der­set­zung tritt dann die Aus­ein­an­der­set­zung um Kom­pe­tenz in der Ver­wal­tung von „Sach­zwän­gen“:

Die poli­ti­sche Par­tei des Ver­fas­sungs­staa­tes – dort, wo sie sich am volls­ten aus­ge­bil­det hat – wirkt in letz­ter Instanz als Klas­sen­or­gan der Kon­ser­va­ti­ven, weil sie kei­ne Klas­sen mehr zu ken­nen vor­gibt, son­dern nur noch ‚Men­schen’. In ihr herr­schen beim Ent­schei­dungs­pro­zess nicht der Drang und der Druck exis­ten­ter Bevöl­ke­rungs­grup­pen, son­dern der ‚Sach­zwang’.“[31]

Schon in der Pha­se des for­dis­ti­schen Wohl­fahrts­staats zeig­ten sich also ers­te Anzei­chen des Pro­zes­ses, der in der aktu­el­len Debat­te als „post­de­mo­kra­tisch“ beschrie­ben wird.

Neo­li­be­ra­ler Auto­ri­ta­ris­mus und Postdemokratie

In den 1980er Jah­ren wur­den der keyne­sia­nisch-​​for­dis­ti­sche Nach­kriegs­kon­sens vom Neo­li­be­ra­lis­mus ver­drängt. David Har­vey[32] zeigt auf, dass es sich dabei um ein Pro­jekt der Wie­der­her­stel­lung der Macht der herr­schen­den Klas­sen han­delte. In mate­ri­el­ler Hin­sicht zeigt sich das deut­lich in Ein­kom­mens– und Ver­mö­gens­ver­tei­lung. Nicht nur die (im Gini-​​Ko­ef­fi­zi­en­ten gemes­sene) per­so­nelle Ein­kom­mens­ver­tei­lung, son­dern auch die funk­tio­nale Ver­tei­lung zwi­schen Kapi­tal und Arbeit ver­än­dern sich bestän­dig zu Guns­ten der Reichs­ten. Die größ­ten Ver­lie­rer sind dabei auf den ers­ten Blick die männ­li­chen Brot­ver­die­ner von einst, die auf­grund von Real­lohn­ein­bu­ßen oft nicht mehr allei­ne ihre Fami­lien ernäh­ren kön­nen. Auf Frau­en wir­ken die Umstruk­tu­rie­run­gen klas­sen­se­lek­tiv:[33] Gene­rell üben jetzt mehr Frau­en Erwerbs­ar­beit aus. In den ärme­ren Fami­lien wird die Lohn­ein­buße des ehe­ma­li­gen Fami­li­e­n­er­näh­rers meist durch Teil­zeit­ar­beit der Frau­en aus­ge­gli­chen, deren Arbeits­be­las­tung im Haus­halt jedoch nicht gleich­zei­tig sinkt. Rei­chere Dop­pel­ver­die­ne­rIn­nen-​​Fa­mi­li­en hin­ge­gen leis­ten sich zuneh­mend Haus­häl­te­rin­nen. Meist von Migran­tin­nen aus­ge­führte Haus­halts­ar­beit wird dann zwar bezahlt, führt aber auch zur Aus­wei­tung des Niedriglohnsegments.

Die­se sozia­le Ent­de­mo­kra­ti­sie­rung wird ver­schärft durch Ten­den­zen zur Pri­va­ti­sie­rung, da der Zugang zu sozia­ler Infra­struk­tur dann stär­ker durch finan­zi­elle Mög­lich­kei­ten geprägt wird. Auch die Umstruk­tu­rie­rung der Sozi­al­po­li­tik im Sinn von „work­fare“ statt „wel­fare“[34] wie z.B. mit­tels der Hartz IV Geset­ze in Deutsch­land trägt zur auto­ri­tä­ren Wen­de bei, da „akti­vie­rende Arbeits­markt­po­li­tik“ an den Zwang gekop­pelt wird, Erwerbs­ar­beit nach­zu­ge­hen – auch unter sehr schlech­ten Arbeits­be­din­gun­gen. Die sozio-​​öko­no­mi­sche Kom­po­nente wird auch durch Umstruk­tu­rie­run­gen des Arbeits­re­gimes ver­än­dert. Die „Fle­xi­bi­li­sie­rung“ (d.h. der Abbau) arbeits­recht­li­cher Stan­dards geht ein­her mit der Ero­sion kor­po­ra­tis­ti­scher Mecha­nis­men der „Sozi­al­part­ner­schaft“. An deren Stel­le tre­ten jedoch nicht offe­nere For­men von Mit­be­stim­mung, son­dern Kom­bi­na­tio­nen aus Ziel­vor­ga­ben des obe­ren Manage­ments (mit­tels Indi­ka­to­ren usw.) und auto­nome Team­struk­tu­ren unter den Arbeit­neh­me­rIn­nen, die frei sind in der Wahl der Mit­tel zur eige­nen Aus­beu­tung.[35]

Auch auf Pro­zess­ebene geht die Ten­denz in Rich­tung Demo­kra­tie­ab­bau, was als „Post­de­mo­kra­tie“ (Crouch) bzw. „post-​​po­li­ti­sche“ Ent­wick­lung (Mouf­fe, Ran­cière) bezeich­net wird. Zen­trale Ele­mente sind hier (1) das Ver­schwim­men der Gren­zen zwi­schen Unter­neh­men und Staat und (2) die Ablö­sung von inter­es­sens­ba­sier­ter Poli­tik durch „objek­tive“ Behand­lung von „Sach­zwän­gen“ durch Exper­tIn­nen. Crouch[36] betont beson­ders die Domi­nanz des „glo­ba­len Unter­neh­mens“: Die mit dem Pro­zess der „Glo­ba­li­sie­rung“[37] zusam­men­hän­gende stei­gende Mobi­li­tät des Kapi­tals erhöht des­sen Druck­po­ten­tial gegen­über natio­na­len Regie­run­gen. Auch insti­tu­tio­nelle Umstruk­tu­rie­run­gen der Staa­ten för­dern die­sen Pro­zess: Einer­seits führt der Fokus auf „Public – Pri­vate Part­nerships“ (PPPs) dazu, dass der Staat in vie­len kon­kre­ten Pro­jek­ten direkt mit Unter­neh­men zusam­men­ar­bei­tet. Trans­pa­renz und Rechen­schaft, die in klas­sisch büro­kra­ti­schen Pro­zes­sen wich­tig waren, gehen dabei eben­so ver­lo­ren wie die Mög­lich­keit von gewähl­ten Ver­tre­te­rIn­nen, eigen­stän­dig Ent­schei­dun­gen zu tref­fen.[38] Ande­rer­seits wird auch staat­li­ches Han­deln selbst in Reform­pro­zes­sen des „New Public Manage­ment“ nach dem Vor­bild der unter­neh­me­ri­schen Orga­ni­sa­tion „ver­be­triebs­wirt­schaft­licht“. Das Ergeb­nis bezeich­nen die renom­mier­ten Gover­nan­ce-​​For­scher Peters und Pierre[39] als „Faust’schen Tausch“ von kurz­fris­ti­ger Effi­zi­enz zu Las­ten von Demokratie.

Im poli­ti­schen Pro­zess wer­den die von Agno­li schon für den For­dis­mus skiz­zier­ten Ten­den­zen zur De-​​Po­li­ti­sie­rung wei­ter radi­ka­li­siert. Poli­tik wird in die­sem Sin­ne nicht mehr als Auf­ein­an­der­pral­len von ent­ge­gen­ge­setz­ten Inter­es­sen betrie­ben, son­dern als objek­ti­ves Lösen von Pro­ble­men unter der Last der „Sach­zwänge der Glo­ba­li­sie­rung“. Auf Akteurs­ebene betrifft das vor allem ehe­mals lin­ke Par­teien, die sich auch selbst umstruk­tu­rie­ren: Um den „Zug zur Mit­te“ voll­zie­hen zu kön­nen, wer­den Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen auf weni­ge füh­rende Köp­fe zen­tra­li­siert und der Par­tei­ap­pa­rat dabei büro­kra­ti­siert. Die Staats­ap­pa­rate selbst wer­den ähn­lich umstruk­tu­riert: stra­te­gi­sche Ent­schei­dun­gen wer­den zuneh­mend weni­ger in Par­la­men­ten getrof­fen, son­dern durch Exe­ku­tive und Judi­ka­tive (letz­te­res v.a. in der EU), wirt­schaft­li­che Appa­rate wie Finanz­mi­nis­te­rium und Zen­tral­bank wer­den gegen­über ande­ren Appa­ra­ten gestärkt. Eini­ges wird auch auf „Exper­ten­gre­mien“ aus­ge­la­gert, die als objek­tiv prä­sen­tiert wer­den.[40] Ran­cière sieht dar­in die Demo­kra­tie­feind­lich­keit der „Olig­ar­chie“ des gesell­schaft­li­chen Esta­blish­ments, die ihre „natür­li­che Über­le­gen­heit“ auf­grund von Her­kunft und Bil­dung nicht an „den Pöbel“ abge­ben wol­len.[41] Als Reak­tion of die soge­nannte Poli­tik­ver­dros­sen­heit im post­de­mo­kra­ti­schen Zeit­al­ter gibt es teil­weise Par­ti­zi­pa­ti­ons­pro­jekte auf loka­ler Ebe­ne. Meis­tens betref­fen die­se Pro­jekte jedoch bloß Mikro­stru­ku­ren (z.B. par­ti­zi­pa­tive Park­ge­stal­tung) wäh­rend stra­te­gisch zen­trale Ent­schei­dun­gen (z.B. EU-​​Re­form­ver­trag, akti­ve Rechts­spre­chung des Euro­päi­schen Gerichts­hofs) in ent­po­li­ti­sier­ten und meist auch intrans­pa­ren­ten Räu­men statt­fin­den. Vie­ler­orts sind die ein­zi­gen Par­teien, die sich dem post­de­mo­kra­ti­schen Kon­sens ent­ge­gen­stel­len, neo­fa­schis­tisch, wäh­rend Par­teien des lin­ken Spek­trums sich zur poli­ti­schen Mit­te hin als Staats­par­teien zu eta­blie­ren versuchen.

Fazit

Das hier skiz­zierte Kon­zept von Demo­kra­tie ist breit ange­legt als poli­tisch und sozio-​​öko­no­misch sowie pro­zess­haft, d.h. die Pro­zesse von Demo­kra­ti­sie­rung und Ent-​​De­mo­kra­ti­sie­rung ste­hen im Mit­tel­punkt der Betrach­tung. Zen­tra­les Moment bei die­sen Pro­zes­sen ist das Ver­hält­nis der „Olig­ar­chie“ zur „Mas­se des Vol­kes“. Im Lauf der Geschich­te zeig­te sich, dass die „Olig­ar­chie“ stets Bemü­hun­gen zeig­te, sich vom Rest abzu­schot­ten und zu ver­hin­dern, dass „der unge­bil­dete Pöbel“ Ent­schei­dun­gen trifft. Nach der Erkämp­fung des all­ge­mei­nen Wahl­rechts kam es nach dem Zwei­ten Welt­krieg zu einer kur­zen Wel­le der Demo­kra­ti­sie­rung. Im Zuge der neo­li­be­ra­len Trans­for­ma­tio­nen ver­stärk­ten sich dann Ten­den­zen zur Ent-​​De­mo­kra­ti­sie­rung, die in aktu­el­len Debat­ten als „post­de­mo­kra­tisch“ bezeich­net wer­den. Im Zuge des­sen wer­den sozio-​​öko­no­mi­sche Rech­te abge­baut und ent­spre­chende Ent­schei­dun­gen als „öko­no­mi­sche Sach­zwänge der Glo­ba­li­sie­rung“ de-​​po­li­ti­siert. Wenn die­se Ent­wick­lun­gen die Par­teien des lin­ken Spek­trums erfas­sen, sind es oft bloß neo­fa­schis­ti­sche Par­teien, die sich gegen den post­de­mo­kra­ti­schen Kon­sens stel­len. Um mög­li­che Neo­fa­schis­men zu ver­hin­dern, gilt es, pro­gres­sive Kon­zepte von Re-​​Po­li­ti­sie­rung und Demo­kra­ti­sie­rung zu ent­wi­ckeln, die an der Dyna­mik der Nach­kriegs­zeit anknüp­fen und in Bezug auf Geschlech­ter­ver­hält­nisse und Staats­bür­ger­schaft neue Ansät­ze zu fin­den, um den Pro­zess der Demo­kra­ti­sie­rung wei­ter voranzutreiben.


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Fußnoten

[1] Die­ser Bei­trag wird im Früh­jahr 2010 in einer Publi­ka­tion der GBW zum The­men­be­reich „Glo­ba­li­sie­rung – Gerech­tig­keit – Demo­kra­tie“ im Pla­net-​​Ver­lag erscheinen.

[2] Pro­mo­ti­ons­sti­pen­diat der Hein­rich-​​B­öll-​​Stif­tung im Rah­men des Kol­legs „Glo­bal Social Poli­cies and Gover­nance“ (http://www.social-globalization.uni-kassel.de/); Redak­ti­ons­mit­glied des „Jour­nal für Ent­wick­lungs­po­li­tik“ (http://www.mattersburgerkreis.at/jep/); Vor­stands­mit­glied des BEIGEWUM.

[3] Die Kom­bi­na­tion von reprä­sen­ta­ti­ver, direk­ter und par­ti­zi­pa­ti­ver Demo­kra­tie wird hier jedoch nicht wei­ter ver­tieft. Vgl. dazu: Bern­hard Leu­bolt, Andre­as Novy und Bar­bara Bein­stein: Gover­nance and Demo­cracy – KATARSIS Sur­vey Paper, in: Cahiers du Cent­re de recher­che sur les inno­va­tions socia­les (CRISES), Collec­tion Étu­des thé­o­ri­ques, H. ET0908 (2009) http://www.crises.uqam.ca/cahiers/ET0908.pdf (Stand: 17-11-2009).

[4] Andre­as Novy und Bern­hard Leu­bolt: Sca­le-​​Sen­si­ti­ve Socio­eco­no­mic Demo­cra­ti­sa­tion, auf der „RSA-​​con­fe­rence: Under­stan­ding and Shaping Regi­ons: Spa­tial, Social and Eco­no­mic Futures“ Kon­fe­renz prä­sen­tier­tes paper, Leu­ven, 6–8 April 2009, S. 4, http://www.regional-studies-assoc.ac.uk/events/2009/apr-leuven/papers/Novy.pdf (Stand: 26.11.2009).

[5] Lucia­no Can­fora: Eine kur­ze Geschich­te der Demo­kra­tie. Von Athen bis zur Euro­päi­schen Uni­on, Köln: Papy­Rossa 2006, S. 35f.

[6] Neben Can­fo­ras Buch vgl. auch: Jac­ques Ran­cière: Hat­red of Demo­cracy, Lon­don: Ver­so 2009.

[7] Can­fora (Anm. 3), S. 35.

[8] Ran­cière (Anm. 4), S. 4; Übers. BL.

[9] Vgl.: Jür­gen Haber­mas: Struk­tur­wan­del der Öffent­lich­keit. Unter­su­chun­gen zu einer Kate­go­rie der bür­ger­li­chen Gesell­schaft. Mit einem Vor­wort zur Neu­auf­lage 1990, Frank­furt: Suhr­kamp 1990.

[10] Eine aus­ge­zeich­nete Beschrei­bung der his­to­ri­schen Ent­ste­hung des Kapi­ta­lis­mus fin­det sich bei: Jür­gen Krom­phardt: Kon­zep­tio­nen und Ana­ly­sen des Kapi­ta­lis­mus, Göt­tin­gen: Van­den­hoeck & Ruprecht, 4. Aufl. 2004.

[11] Isaiah Ber­lin: Two Con­cepts of Liber­ty (1958) http://www.nyu.edu/projects/nissenbaum/papers/twoconcepts.pdf (Stand: 23-11-2009).

[12] Neben Can­fo­ras Buch (Anm. 3) gibt auch „Der acht­zehnte Bru­maire des Lou­is Napo­leon“ von Karl Marx (MEW 8, Ber­lin: Dietz; bzw.: http://www.ml-werke.de/marxengels/me08_115.htm) inter­es­sante Ein­bli­cke in die Geschich­te der fran­zö­si­schen Revolution.

[13] Zu den aus­tro-​​mar­xis­ti­schen Kon­zep­tio­nen vgl.: Otto Bau­er: Der Weg zum Sozia­lis­mus, Werk­aus­gabe, Wien: Euro­pa­ver­lag 1976. In einem ande­ren Bei­trag bezie­he ich mich aus­führ­li­cher dar­auf: Bern­hard Leu­bolt: Kri­se der Demo­kra­tie und mög­li­che Alter­na­ti­ven, http://www.beigewum.at/2009/11/krise-der-demokratie-und-mogliche-alternativen/ (Stand: 26.11.2009)

[14] Vgl.: Can­fora (Anm. 3).

[15] Vgl.: Eva Krei­sky: Das ewig Män­ner­bün­di­sche? Zur Stan­dard­form von Staat und Poli­tik, Hg. Claus Leg­ge­wie, Wozu Poli­tik­wis­sen­schaft? Über das Neue in der Poli­tik, Darm­stadt: Wis­sen­schaft­li­che Buch­ge­sell­schaft 1994.

[16] Vgl.: Tho­mas Hum­phrey Mar­shall: Citi­zenship and Social Class, and other Essays, Cam­bridge: Cam­bridge Uni­ver­sity Press 1950.

[17] Vgl.: Guil­lermo O’Donnell: Human Deve­lop­ment, Human Rights, and Demo­cracy, Hg. Guil­lermo O’Donnell, Jor­ge Var­gas Cul­lell und Osval­do M. Iaz­zetta, The Qua­lity of Demo­cracy: Theo­ry and App­li­ca­ti­ons, Not­re Dame: Uni­ver­sity of Not­re Dame Press 2004.

[18] Eige­ne Dar­stel­lung nach: Ebd.

[19] Der Begriff stammt von Kor­pi, der damit auf die klas­sen-​​ba­sier­ten insti­tu­tio­nel­len Kämp­fe von sozialdemokratischen,sozialistischen und/​​oder kom­mu­nis­ti­schen Par­teien hin­wies, die zur Eta­blie­rung von sozi­al­po­li­ti­schen Arran­ge­ments führ­ten. Vgl.: Wal­ter Kor­pi: The Demo­cra­tic Class Strugg­le, Lon­don: Rout­ledge 1983

[20] Der Begriff der De-​​Kom­mo­di­fi­zie­rung geht auf Esping-​​An­der­sen zurück; vgl.: Gøs­ta Esping-​​An­der­sen: The three worlds of wel­fare capi­ta­lism, Cam­bridge: Poli­ty Press 1990Gøsta Esping-​​An­der­sen: Die drei Wel­ten des Wohl­fahrts­ka­pi­ta­lis­mus. Zur Poli­ti­schen Öko­no­mie des Wohl­fahrts­staa­tes, Hg. Ste­phan Les­se­nich und llo­na Ost­ner, Wel­ten des Wohl­fahrts­ka­pi­ta­lis­mus: Der Sozi­al­staat in ver­glei­chen­der Per­spek­tive, Frank­furt: Cam­pus 1998.
Der bra­si­lia­ni­sche Sozio­loge Oli­vei­ra beschrieb die Ent­wick­lung mit Hil­fe der Marx’schen Kate­go­rien zur Kri­tik der poli­ti­schen Öko­no­mie als „Auf­kom­men des Anti-​​Werts“; vgl.: Fran­cisco de Oli­vei­ra: O Sur­gi­mento do Anti­va­lor. Capi­tal, For­ça de Tra­balho e Fun­do Púb­li­co, In: Novos Estu­dos 9 (1988), H. 22.

[21] Esping-​​An­der­sen: Die drei Wel­ten des Wohl­fahrts­ka­pi­ta­lis­mus. Zur Poli­ti­schen Öko­no­mie des Wohl­fahrts­staa­tes, S. 23.

[22] Gøs­ta Esping-​​An­der­sen: Social Foun­da­ti­ons of Post­in­dus­trial Eco­no­mies, Oxford: Oxford Uni­ver­sity Press 1999.

[23] Esping-​​An­der­sen unter­schei­det sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Wohl­fahrts­staa­ten (Skan­di­na­vien) von libe­ra­len (z.B. Groß­bri­tan­nien, USA) und kon­ser­va­tiv-​​kor­po­ra­tis­ti­schen (z.B. Deutsch­land, Frank­reich, Öster­reich). Auf­grund des deut­lich gerin­ge­ren Gra­des der De-​​Kom­mo­di­fi­zie­rung und der damit ver­bun­de­nen Aus­la­ge­rung von Sozi­al­po­li­tik auf Fami­lien wird Süd­eu­ro­pas Sozi­al­mo­dell oft als fami­li­en­ba­siert bezeich­net; vgl. z.B.: Alber­ta Andreottiu.a.: Does a Sou­thern Euro­pean Model Exist?, In: Jour­nal of Con­tem­porary Euro­pean Stu­dies 9 (2001), H. 1.

[24] Vgl.: Eve­lyne Huber und John D. Ste­phens: Deve­lop­ment and Cri­sis of the Wel­fare Sta­te: Par­ties and Poli­cies in Glo­bal Mar­kets, Chi­cago: The Uni­ver­sity of Chi­cago Press 2001.

[25] Vgl.: Éti­enne Bali­bar und Imma­nuel Wal­ler­stein: Ras­se, Klas­se, Nati­on: Ambi­va­lente Iden­ti­tä­ten Ham­burg: Argu­ment, 2. Aufl. 1998.

[26] Rein­hard Kre­ckel: Poli­ti­sche Sozio­lo­gie der sozia­len Ungleich­heit, Frank­furt: Cam­pus, 3. Aufl. 2004

[27] Das grund­le­gende Werk zur Büro­kra­tie ist: Max Weber: Wirt­schaft und Gesell­schaft. Grund­riß der Ver­ste­hen­den Sozio­lo­gie, Tübin­gen: Mohr Sie­beck, 5. Aufl. 1980; zur Kri­tik vgl.: Jan Reh­mann: Max Weber: Moder­ni­sie­rung als pas­sive Revo­lu­tion. Kon­text­stu­dien zu Poli­tik, Phi­lo­so­phie und Reli­gion im Über­gang zum For­dis­mus, Ham­burg: Argu­ment 1998.

[28] Max Hork­hei­mer und Theo­dor W. Ador­no: Dia­lek­tik der Auf­klä­rung. Phi­lo­so­phi­sche Frag­mente, Frank­furt: Fischer, 14. Aufl. 2003, S. 169.

[29] Haber­mas (Anm. 7).

[30] Johan­nes Agno­li: Die Trans­for­ma­tion der Demo­kra­tie und ver­wandte Schrif­ten, Ham­burg: Kon­kret Lite­ra­tur Ver­lag 2004.

[31] Ebd., S. 41.

[32] David Har­vey: Klei­ne Geschich­te des Neo­li­be­ra­lis­mus, Zürich: Rot­punkt­ver­lag 2007.

[33] Vgl.: Jörg Nowak: Geschlech­ter­po­li­tik und Klas­sen­herr­schaft: Eine Inte­gra­tion mar­xis­ti­scher und femi­nis­ti­scher Staats­theo­rien, Müns­ter: West­fä­li­sches Dampf­boot 2009.

[34] Vgl.: Jamie Peck: Work­fare Sta­tes, New York: Guil­ford Publi­ca­ti­ons 2001.

[35] Vgl.: Klaus Dör­re und Bernd Rött­ger, Hg.: Das neue Markt­re­gime. Kon­tu­ren eines nach­for­dis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­mo­dells, Ham­burg: VSA 2003.

[36] Colin Crouch: Post­de­mo­kra­tie, Frank­furt: Suhr­kamp 2008.

[37] Ent­ge­gen dem Dis­kurs um „Sach­zwänge der Glo­ba­li­sie­rung“ beste­hen auf natio­nal­staat­li­cher jedoch eigent­lich noch grö­ßere Hand­lungs­spiel­räume. Ein Indiz dafür sind die natio­nal­staat­li­chen Reak­tio­nen auf die aktu­elle Weltwirtschaftskrise.

[38] In Arbei­ten „Gover­nance“ wird das beson­ders deut­lich. Vgl.: Leu­bolt, Novy und Bein­stein (Anm. 1)

[39] B. Guy Peters und Jon Pierre: Mul­ti-​​le­vel Gover­nance and Demo­cracy: A Faus­tian Bar­gain?, Hg. Ian Bache und Mat­thew Flin­ders, Mul­ti-​​le­vel Gover­nance, Oxford: Oxford Uni­ver­sity Press 2004.

[40] Vgl. die Debat­te zu Post­de­mo­kra­tie: Crouch; Chan­tal Mouf­fe: On the Poli­ti­cal, Lon­don: Rout­ledge 2006; mit etwas ande­rem Blick­win­kel vgl. auch: John Kann­an­ku­lam: Auto­ri­tä­rer Eta­tis­mus im Neo­li­be­ra­lis­mus: Zur Staats­theo­rie von Nicos Pou­lant­zas, Ham­burg: VSA 2008.

[41] Ran­cière (Anm.4).

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Regulierung ist nicht genug.

März. 1st 2009 — 20:16

BEI­GEWUM-Text in Mal­moe #45

Für eine Demo­kra­ti­sie­rung der Debat­te über Ant­wor­ten auf die Krise

So man­che kri­ti­sche Grup­pe sieht sich in der Dis­kus­si­on um die aktu­el­le Finanz­kri­se in der Zwick­müh­le. Dass der Kapi­ta­lis­mus insta­bil ist und sei­ne fort­schrei­ten­de schwach regu­lier­te Finan­zia­li­sie­rung (also der ver­grö­ßer­te Stel­len­wert von Finanz­märk­ten für immer mehr Wirt­schafts- und Lebens­be­reich) die­se Insta­bi­li­täts­ten­denz ver­stärkt, behaup­ten sie schon seit Jahr und Tag. Nun ist die­se Dia­gno­se (wie­der ein­mal) durch eine Kri­se schlag­ar­tig ins all­ge­mei­ne Bewusst­sein getre­ten, und das Lob der Märk­te, das ges­tern noch all­ge­gen­wär­tig durch die Medi­en schall­te, ist heu­te Hohn und Spott ausgesetzt.

Doch es ist ver­däch­tig: Jene mäch­ti­gen Akteu­re, die den Kar­ren an die Wand gefah­ren haben, machen sich vor­mals mar­gi­na­le kri­ti­sche Dia­gno­sen und Vor­schlä­ge zu eigen, als wäre nichts gewe­sen, und behal­ten ihre Posten…

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