2015 September – BEIGEWUM

Archiv für September 2015


Schlagseite programmiert. Eine neue Generation parteiischer Think Tanks in Österreich

1. September 2015 – 16:43 Uhr

Mat­thi­as Schlögl und Die­ter Plehwe

Am 25. Sep­tem­ber 2013, gera­de ein­mal 4 Tage vor der Natio­nal­rats­wahl 2013, titel­te der Stan­dard: „250.000 Arbeits­lo­se jen­seits der Sta­tis­tik“. Er atta­ckiert damit nicht nur die im Rah­men der gro­ßen Koali­ti­on in sozi­al­de­mo­kra­ti­scher Ver­ant­wor­tung lie­gen­de Sozi­al­po­li­tik der Regie­rung, son­dern auch ihre Glaub­wür­dig­keit. Die zitier­te Zahl ent­stamm­te einer Stu­die des erst kurz zuvor gegrün­de­ten Think Tanks Agen­da Aus­tria, gelei­tet vom ehe­ma­li­gen Pres­se-Redak­teur Franz Schnell­horn. Von die­sem Think Tank war wenig mehr als die Namen der Mit­ar­bei­te­rIn­nen und das ange­streb­te Bud­get von 1 Mio. € bekannt. Wie aber kommt es, dass eine regie­rungs­kri­ti­sche Stu­die außer­halb der aka­de­mi­schen For­schungs­land­schaft erar­bei­tet, ziel­ge­nau vor den Wah­len publi­ziert und von den Medi­en ohne grö­ße­re Befas­sung mit der Qua­li­tät des Mate­ri­als auf­ge­grif­fen wird?

Der Beant­wor­tung die­ser Fra­ge sowie die genaue­re Erör­te­rung der Merk­ma­le einer Grup­pe von neo­li­be­ra­len und wirt­schafts­na­hen par­tei­ischen Think Tanks in Oster­reich dient der fol­gen­de Bei­trag. Gemein­sam ist die­sen Think Tanks in Öster­reich und ihren Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen in euro­päi­schen und inter­na­tio­na­len Think-Tank-Netz­wer­ken, dass sie den Wohl­fahrts­staat und das erreich­te Niveau sozia­ler Bür­ger­rech­te bekämp­fen. Damit tre­ten sie gegen das Gleich­heits­pos­tu­lat sozi­al­li­be­ra­ler und sozia­lis­ti­scher Strö­mun­gen auf und ver­tre­ten offen­siv rechts­li­be­ra­le Nor­men von der Not­wen­dig­keit und Pro­duk­ti­vi­tät sozia­ler Ungleich­heit (Hayek 1960).

Seit Mit­te der 2000er greift auch in Öster­reich ein Phä­no­men ver­stärkt um sich, das man in vie­len ande­ren Län­dern schon län­ger kennt: das ver­mehr­te Auf­tre­ten eben sol­cher par­tei­ischer Think Tanks. Wäh­rend vor allem in den angel­säch­si­schen Län­dern bereits seit gerau­mer Zeit eine Dis­kus­si­on dar­über geführt wird, inwie­fern mit die­sen pri­va­ten, poli­tik­na­hen For­schungs- und Bera­tungs­or­ga­ni­sa­tio­nen neue Ideen und fri­scher Wind in die Debat­ten ein­ge­speist wer­den oder aber zah­lungs­kräf­ti­ge Lob­bys die ideo­lo­gi­sche Schlag­sei­te mit Think Tank Exper­ti­se ver­stär­ken, ist die euro­päi­sche Debat­te noch nicht sehr weit gedie­hen. Wis­sen­schaft gilt weit­hin als im Wesent­li­chen neu­tral und Exper­ten genie­ßen im Gegen­satz zu Lob­by­is­ten einen guten Ruf. Genau dies machen sich alle mög­li­chen Inter­es­sen­grup­pen zu Nut­ze, wenn sie, um wirk­sa­mer in die Poli­tik ein­zu­grei­fen, ver­mehrt zur Grün­dung von Think Tanks auf­ru­fen (Sut­ter­lin u. a. 2012, Zet­ter 2008).

Die meist sehr klei­nen For­schungs­in­sti­tu­te sind über­wie­gend pri­vat finan­ziert. Sie leis­ten ent­we­der kon­kre­te Auf­trags­for­schung oder erhal­ten ein Bud­get von befreun­de­ten Unter­neh­men, Ver­bän­den, Stif­tun­gen und Pri­vat­per­so­nen, um im Sin­ne einer bestimm­ten Ten­denz zu wir­ken. Sol­che offi­zi­ell unab­hän­gi­gen Think Tanks sind daher beson­ders anfäl­lig für die Ein­fluss­nah­me der sie tra­gen­den Kräf­te und ins­be­son­de­re der Geld­ge­ber. Im Gegen­satz zum offe­nen wis­sen­schaft­li­chen Dis­kurs wird die grund­le­gen­de Marsch­rich­tung vor­ab fest­ge­legt. Gesell­schaft­li­che Dis­kur­se – z.B. zum Kli­ma­wan­del in den USA (Dunlap/​Jacques 2013) – kön­nen durch die Arbeit von welt­an­schau­lich par­tei­ischen Think Tanks u.U. erheb­lich beein­flusst wer­den, wenn bestimm­te Dis­kurs­ko­ali­tio­nen (Hajer1993) gezielt ver­stärkt wer­den. Dabei spie­len in der jün­ge­ren Geschich­te Think Tanks immer häu­fi­ger eine immer wich­ti­ge­re Rolle.


Zum gan­zen Arti­kel hier


Der Arti­kel erschien im Kurs­wech­sel 2 (2015) zum The­ma „Ver­mö­gensun­gleich­heit, Kapi­ta­lis­mus und Demo­kra­tie“. Den Kurs­wech­sel hier bestellen.

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Der Kurswechsel 2 (2015) ist erschienen!

1. September 2015 – 16:43 Uhr

The­ma: Ver­mö­gensun­gleich­heit, Kapi­ta­lis­mus und Demokratie

Aktu­el­le Debat­te: Per­spek­ti­ven und Gren­zen Plu­ra­ler Ökonomie

Schon vor der Furo­re um Tho­mas Piket­tys Best­sel­ler „Kapi­tal im 21. Jahr­hun­dert“ hat sich die For­schungs­tä­tig­keit im Bereich Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­ver­tei­lung in den letz­ten Jah­ren rasant beschleu­nigt. Auch auf­grund neu­er Daten­quel­len wie dem House­hold Finan­ce and Con­sump­ti­on Sur­vey (HFCS) der EZB ent­spann sich eine inten­si­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit unter­schied­li­chen Aspek­ten der Ver­mö­gens­ver­tei­lung. Dar­aus ent­stan­den in Öster­reich zahl­rei­che empi­ri­sche Bei­trä­ge, deren Ergeb­nis­se auf gro­ße media­le Reso­nanz stießen.

Die Auf­be­rei­tung der Daten und die damit gewon­ne­ne öffent­li­che Auf­merk­sam­keit waren zwei­fels­frei zen­tral, um die extrem schie­fe Ver­mö­gens­ver­tei­lung in den Blick­punkt zu rücken. Doch die Fra­gen, die sich aus die­sen empi­ri­schen Erkennt­nis­sen erge­ben, sind fun­da­men­ta­ler. Wie ent­steht eine solch dras­ti­sche Ver­mö­gensun­gleich­heit im Kapi­ta­lis­mus? Durch wel­che Mecha­nis­men und Wir­kungs­ka­nä­le wird sie auf­recht­erhal­ten? Über wel­che Kanä­le wirkt unglei­che Ver­mö­gens­ver­tei­lung auf demo­kra­ti­sche Pro­zes­se? Und wel­che Schluss­fol­ge­run­gen erge­ben sich dar­aus für pro­gres­si­ve Kräfte?

Dass Tho­mas Piket­tys The­sen in nahe­zu jedem Arti­kel dis­ku­tiert wer­den, bezeugt sei­nen wich­ti­gen Bei­trag für die lau­fen­den Debat­ten. Die Bei­trä­ge zei­gen aber auch auf, dass fun­da­men­ta­le Fra­gen zu Ver­mö­gen, Ungleich­heit, Kapi­ta­lis­mus und Demo­kra­tie über Piket­tys Ana­ly­se hin­aus gestellt wer­den müs­sen. Die aktu­el­le Aus­ga­be des Kurs­wech­sels ver­sucht eine ers­te Annä­he­rung an die­se Pro­blem­stel­lun­gen, und beleuch­tet Fra­gen von (Re-)Produktion von Ver­mö­gensun­gleich­heit im Kapi­ta­lis­mus, deren Beant­wor­tung eine wei­te­re inten­si­ve Debat­te erfordert.

Mit Bei­trä­gen von: Julia Hof­mann, Lukas Hof­stät­ter, Jakob Kapel­ler, Ste­phan Kauf­mann, Die­ter Pleh­we, Miri­am Rehm, Mat­thi­as Schlögl, Mat­thi­as Schnet­zer, Bern­hard Schütz, Ingo Stützle

Her­aus­ge­ge­ben von Miri­am Rehm und Mat­thi­as Schnetzer

Link zum Editorial

Die Aktu­el­le Debat­te beschäf­tigt sich mit Plu­ra­lis­mus in der Wirt­schafts­wis­sen­schaft. Da die Ver­mö­gens- und Macht­ver­tei­lung ein blin­der Fleck der Main­stream-Öko­no­mie dar­stellt, bet­tet sich die Dis­kus­si­on über die Per­spek­ti­ven und Gren­zen plu­ra­ler Öko­no­mie gut in die Aus­ga­be ein. Was kann Plu­ra­lis­mus leis­ten? Wel­che Stra­te­gien gibt es für hete­ro­do­xe Öko­nom­In­nen? Und wie kann sich Plu­ra­lis­mus institutionalisieren?

Mit Bei­trä­gen von: Flo­ri­an Bohinc, Fran­zis­ka Diss­l­ba­cher, Micha­el G. Kraft, Phil­ipp Poyntner

Link zum Debattenforum

Den neu­en Kurs­wech­sel hier bestel­len.


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