Offener Brief besorgter WissenschafterInnen und Initiativen zum geplanten „Relaunch“ der Katholischen Sozialakademie – BEIGEWUM

Offener Brief besorgter WissenschafterInnen und Initiativen zum geplanten „Relaunch“ der Katholischen Sozialakademie

am 16. September 2020 um 16:43h

Die Katho­li­sche Sozi­al­aka­de­mie Öster­reichs (ksoe) wirkt seit über 60 Jah­ren als eine wich­ti­ge Insti­tu­ti­on des inter­dis­zi­pli­nä­ren und trans­dis­zi­pli­nä­ren Dia­logs in Öster­reich. Auf­grund der Coro­na­Pan­de­mie ist nun auch die­se Insti­tu­ti­on vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen gestellt: Durch die Pan­de­mie bre­chen vor­aus­sicht­lich Ein­nah­men weg, mit denen sich die ksoe zu zwei Drit­teln selbst finan­ziert. Mit Sor­ge neh­men wir nicht nur den Beschluss der Öster­rei­chi­schen Bischofs­kon­fe­renz zur Kennt­nis, der einen „Relaunch“ der Katho­li­schen Sozi­al­aka­de­mie Öster­reichs plant, son­dern auch die damit ver­bun­de­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on, die mehr Fra­gen auf­wirft als sie beantwortet.

Denn spricht der Umstand, dass die Zukunft der dort täti­gen Mitarbeiter:innen zur Dis­po­si­ti­on gestellt wird, nicht deut­lich – und allen Bekun­dun­gen zum Trotz – für eine in ers­ter Linie inhalt­lich, ja, poli­tisch begrün­de­te Neu­aus­rich­tung der ksoe? Wel­che Neu­aus­rich­tung soll das sein, wenn sie im Grun­de genau das bewir­ken soll, was die ksoe in über 60 Jah­ren sehr erfolg­reich mit ihren Mitarbeiter:innen bereits unter Beweis gestellt hat? Näm­lich, ein „Kom­pe­tenz­zen­trum” der Katho­li­schen Sozi­al­leh­re zu sein, „das die kirch­li­che Exper­ti­se in die­sem Bereich zeit­ge­mäß bün­delt, ver­tieft und in einem öku­me­nisch offe­nen Dia­log mit den staat­li­chen und gesell­schaft­li­chen Insti­tu­tio­nen umsetzt“. Als 2019 das Jubi­lä­um der ksoe began­gen wur­de, wür­dig­te sie unter ande­rem Bun­des­prä­si­dent Alex­an­der van der Bel­len für genau die­ses Enga­ge­ment. Wie passt die­ses Lob dazu, dass die ksoe „inhalt­lich und struk­tu­rell neu auf­ge­stellt“ wer­den soll?

Als Wissenschafter:innen unter­schied­li­cher Dis­zi­pli­nen und als zivil­ge­sell­schaft­li­che Initia­ti­ven aus einer Viel­falt ver­schie­de­ner The­men­be­rei­che schät­zen wir die Arbeit und Arbeits­wei­se der ksoe. Wir ken­nen die ksoe durch ihre Tex­te, ihre Lehr­gän­ge, von Vor­trä­gen, als For­schen­de im Rah­men des Scha­sching-Fel­low­ships sowie durch ver­schie­de­ne Koope­ra­tio­nen. Die ksoe ist für uns kei­ne „Mar­ke“, wie es in einer Erklä­rung der Öster­rei­chi­schen Bischofs­kon­fe­renz heißt, son­dern eine gemein­wohl­för­dern­de Insti­tu­ti­on. Sie ist nicht nur eine wich­ti­ge unab­hän­gi­ge und kri­ti­sche Stim­me in der öster­rei­chi­schen Gesell­schaft, die not­wen­di­ge Debat­ten anregt und bereits vie­le unver­zicht­ba­re Impul­se gege­ben hat. Nein, sie bie­tet auch den Raum für einen inter­dis­zi­pli­nä­ren Dia­log. Dabei steht die ernst­haf­te Aus­ein­an­der­set­zung mit The­men auf der Agen­da, die im nor­ma­len Hoch­schul­be­trieb, aber auch in der Arbeit zivil­ge­sell­schaft­li­cher Initia­ti­ven oft genug auf der Stre­cke blei­ben: sei­en es die sozi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on, soli­da­ri­sche Wirt­schafts­for­men, Zeit­sou­ve­rä­ni­tät, Grund­ein­kom­men, Care oder Armut und Ungleich­heit. Mehr noch: Die ksoe war immer schon ein Ort der Trans­dis­zi­pli­na­ri­tät, deren Not­wen­dig­keit nun zuneh­mend auch in wei­te­ren Berei­chen der Wis­sen­schaft erkannt wird, und für die die ksoe eine Vor­rei­te­rin ist.

Des­halb bli­cken wir mit Sor­ge dem Vor­ha­ben einer „Neu­auf­stel­lung“ der Katho­li­schen Sozi­al­aka­de­mie Öster­reichs ent­ge­gen. Wir befürch­ten nicht nur das Ver­stum­men einer wich­ti­gen Stim­me in der öster­rei­chi­schen Gesell­schaft, son­dern eben­so, dass ein frucht­ba­rer Ort des inter- und trans­dis­zi­pli­nä­ren Dia­logs ver­sie­gelt wird. Wir möch­ten die Ver­ant­wort­li­chen des­halb mit Nach­druck dazu auf­ru­fen und ermu­ti­gen, mit dem beab­sich­tig­ten „Relaunch“ den bis­he­ri­gen inhalt­li­chen und per­so­nel­len Kurs der ksoe nicht nur zu stär­ken, son­dern zu ver­tie­fen und zu erwei­tern und in die­sem Sinn für eine soli­de Finan­zie­rung zu sor­gen. Dies wür­de der ksoe zukünf­tig eine im sub­si­diä­ren Sin­ne eigen­stän­di­ge und unab­hän­gi­ge Arbeit ermög­li­chen und ihr erlau­ben, die Erfolgs­ge­schich­te der letz­ten sechs Jahr­zehn­te fortzusetzen

Den Brief als PDF sowie alle Per­so­nen und Initia­ti­ven die unter­schrie­ben haben fin­det man hier

 

Kategorie: blog, News & Termine Kommentare deaktiviert für Offener Brief besorgter WissenschafterInnen und Initiativen zum geplanten „Relaunch“ der Katholischen Sozialakademie

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