Perspektiven für die feministische Ökonomie – BEIGEWUM

Perspektiven für die feministische Ökonomie

am 21. März 2017 um 13:26h

Mascha Madö­rin anläss­lich ihres 70. Geburts­tags 3 Tage in Wien

Petra Sau­er (Bei­gewum, VrauWL)

Erfor­schen Sie, was Sie inter­es­siert. Ansons­ten macht es kei­nen Spaß und es hört Ihnen auch nie­mand zu.“, so Mascha Madö­rin auf die Fra­ge nach den bren­nen­den The­men die es für femi­nis­ti­sche Ökonom_​innen zu erfor­schen gilt. In der ers­ten März­wo­che gab es gleich drei Mal die Mög­lich­keit Fra­gen an die Schwei­zer Wirt­schafts­wis­sen­schaft­le­rin Mascha Madö­rin zu stel­len. Denn anläss­lich ihres 70. Geburts­tags ver­weil­te die Gran­de Dame der femi­nis­ti­schen Öko­no­mie in Wien und dis­ku­tier­te an drei Tagen in drei unter­schied­li­chen For­ma­ten über ihren Wer­de­gang, ihr Selbst­ver­ständ­nis als Öko­no­min und natür­lich über ihre Forschung.

In einem Gespräch mit Chris­ta Schla­ger und Käthe Knitt­ler wur­de am 2.3. in der AK Biblio­thek das Lese­buch Quer den­ken mit und über Mascha Madö­rin vor­ge­stellt. Auch wenn sie die­sen Plan nicht vor­sätz­lich ver­folg­te, so pas­sier­te es ihr doch immer wie­der, dass sie quer des poli­ti­schen Estab­lish­ments, des Finanz­plat­zes Schweiz und der Main­stream Öko­no­mie argu­men­tier­te und agier­te. Denn sie brach­te als Frau und Makro­öko­no­min nicht nur Licht in die blin­den Fle­cken der Wirt­schafts­theo­rie, son­dern war auch Akti­vis­tin, die die scham­lo­sen wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen der Schweiz zu Süd­afri­ka auf­deck­te und die Funk­ti­ons­wei­se des Schwei­zer Finanz­sys­tems sowohl ana­ly­sier­te als auch anpran­ger­te. Außer­dem lehr­te sie in den Sieb­zi­gern in dem gera­de unab­hän­gig gewor­de­nen Staat Mosam­bik Poli­ti­sche Öko­no­mie und betrieb Feld­for­schung. Im Gespräch bezeich­ne­te Mascha Madö­rin die­se Erfah­rung als maß­geb­lich prä­gend für ihr Ver­ständ­nis kri­ti­scher Wissensproduktion.

In der Fami­lie ihrer Mut­ter muss­ten alle den Lohn an den Vater ablie­fern. Dann wur­de, nach den not­wen­di­gen Haus­halts­aus­ga­ben, das Geld wie­der ver­teilt: Män­ner, die bezahl­te Arbeit ver­rich­te­ten, beka­men 10 Fran­ken, Frau­en, die sowohl bezahl­te als auch unbe­zahl­te Arbeit ver­rich­te­ten beka­men 5 Fran­ken, und Frau­en, die „nur“ unbe­zahl­te Arbeit ver­rich­te­ten beka­men nichts. Die­se Tat­sa­che weck­te schon in Kind­heits- und Jugend­jah­ren den Gerech­tig­keits­sinn von Mascha Madö­rin. Geschlechts­spe­zi­fi­sche Ungleich­hei­ten, die sich aus dem Umstand erge­ben, dass jene Arbeit, die vor­wie­gend von Frau­en unbe­zahlt in Haus­halt und Gemein­schaft ver­rich­tet wird, in den gän­gi­gen öko­no­mi­schen Model­len und somit in der wirt­schafts­po­li­ti­schen Pra­xis gänz­lich unbe­rück­sich­tigt blieb – und Groß­teils auch noch bleibt – waren daher immer Bezugs­punkt ihrer For­schung. Spä­tes­tens mit ihren Ana­ly­sen und Bei­trä­gen zur femi­nis­ti­schen Kri­tik am männ­lich gepräg­ten Wirt­schafts­ver­ständ­nis, an der Neo­klas­sik und dem Homo Eco­no­mic­us seit den frü­hen 1990er Jah­ren sowie zur Care-Öko­no­mie, die seit den 2000er Jah­ren ein Schwer­punkt wur­de, kann Mascha Madö­rin als eine Weg­be­rei­te­rin der femi­nis­ti­schen Öko­no­mie bezeich­net werden.

Wäh­rend Frei­tags Nach­mit­tag, den 3.3., an der WU Wien „Über­le­gun­gen zu einer femi­nis­ti­schen Öko­no­mie von Frau­en­rech­ten ange­stellt wur­den, reflek­tier­te Mascha Madö­rin am Sams­tag im Rah­men einer Gesprächs­werk­statt in der Frau­en­hetz über die Ent­wick­lungs­ge­schich­te der femi­nis­ti­schen Öko­no­mie. In einer Revue der „Pas­sa­gen femi­nis­ti­scher Öko­no­mie“ skiz­zier­te Madö­rin drei Etap­pen. In der ers­ten Etap­pe stand die Kri­tik an den Modell­an­nah­men der Neo­klas­sik sowie am ein­ge­schränk­ten Arbeits­be­griff der vor­herr­schen­den Wirt­schafstheo­rie im Mit­tel­punkt. Die Beto­nung, dass Geld- und Fis­kal­po­li­tik hin­sicht­lich ihrer Ver­tei­lungs­wir­kung nicht neu­tral sind – „EnGen­de­ring Macroeco­no­mics“ – und das Kon­zept des Gen­der Bud­ge­ting präg­ten die zwei­te Etap­pe femi­nis­ti­scher Öko­no­mie. In der gegen­wär­ti­gen drit­ten Etap­pe steht für Mascha Madö­rin die Geld­theo­rie im Zen­trum. Die Funk­ti­ons­wei­se und die Insti­tu­tio­nen der Geld­schöp­fung bestim­men laut Madö­rin maß­geb­lich die Ver­fü­gungs­ge­walt über und die Ver­tei­lung von Res­sour­cen. Für die femi­nis­ti­sche Öko­no­mie sei dies ins­be­son­de­re rele­vant, weil alter­na­ti­ve geld­theo­re­ti­sche Ansät­ze Wege für die lang­fris­ti­ge öffent­li­che Finan­zier­bar­keit der sozia­len Dienst­leis­tun­gen Pfle­ge, Gesund­heit und Bil­dung auf­zei­gen kön­nen. Somit ver­bin­det sie aktu­ell drei wesent­li­che Strän­ge ihrer Arbeit: ihre Ana­ly­se von Geld- und Finanz­sys­te­men mit den Aus­wir­kun­gen der Öko­no­mi­sie­rung von Pfle­ge- und Gesund­heits­leis­tun­gen und der gesell­schaft­li­chen und öko­no­mi­schen Bedeu­tung unbe­zahl­ter Arbeit.

In Sum­me hat sie nach drei Tagen meh­re­re Emp­feh­lun­gen und Anre­gun­gen für femi­nis­ti­sche Ökonom_​innen parat. Es brau­che ers­tens grund­le­gen­de Arbeit an einer femi­nis­ti­schen Geld­theo­rie. Außer­dem sol­le die Kri­tik der Wirt­schafts­theo­rie über die Kri­tik an der Neo­klas­sik hin­aus­ge­hen und auch hete­ro­do­xe Ansät­ze auf ihre blin­den Fle­cken hin unter­su­chen. Das gilt auch für poli­ti­sches Enga­ge­ment, denn „es kann nicht sein, dass Män­ner – auch in der Lin­ken – noch immer bei wei­tem über­re­prä­sen­tiert sind.“, so Madö­rin bezug­neh­mend auf die Ver­an­stal­tun­gen der euro­pa­wei­ten Bewe­gung DiEM25. Neue Erkennt­nis­se und Schluss­fol­ge­run­gen wür­den sich zudem auch erge­ben, wenn wir unse­re Blick­win­kel von den Aus­wir­kun­gen zu den Zusam­men­hän­gen und Pro­zes­sen len­ken. Ein neu­es Spek­trum an Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten eröff­net sich, wenn wir sozia­le Dienst­leis­tun­gen und unbe­zahl­te Arbeit im Mit­tel­punkt unse­rer Ana­ly­se ver­an­kern und die Defi­ni­ti­on gesell­schaft­li­cher Ziel­set­zun­gen damit maß­geb­lich prägen.

Vie­le der Tex­te von Mascha Madö­rin sind über ihre Hom­pa­ge ver­füg­bar.

Das Buch „Quer den­ken: Mascha Madö­rin“, her­aus­ge­ge­ben von Bet­ti­na Dyttrich und Ste­fan How­ald ist als Sach­buch der edi­ti­on 8 erschienen.

Mehr zur femi­nis­ti­schen Per­spek­ti­ve auf Finanz­märk­te und Geld wird im nächs­ten Kurs­wech­sel „Die Her­ren des Gel­des – Das Geld der Her­ren?“ zu fin­den sein.

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