Der Handel mit dem Klima. – BEIGEWUM

Der Handel mit dem Klima.

am 8. Februar 2017 um 17:18h

Es braucht neue Wege für eine gerech­te, sozio­öko­lo­gi­sche Transformation.
Simon Theurl

(Als Per­spek­ti­ve des Marie Jaho­da – Otto Bau­er Insti­tut Erschienen)

 

195 Staa­ten haben sich beim Pari­ser Abkom­men 2015 geei­nigt: Die Erd­er­wär­mung soll nicht mehr als 2°C über das Niveau vor der Indus­tria­li­sie­rung stei­gen. Beim aktu­el­len Trend ist die­se Gren­ze in 20 Jah­ren über­schrit­ten. Des­halb sind immense poli­ti­sche und öko­no­mi­sche Ver­än­de­run­gen not­wen­dig, die weit über die aktu­ell dis­ku­tier­ten Vor­schlä­ge und Stra­te­gien hin­aus gehen müssen.

 

Kenntnisse zum Klimawandel

Grund­la­ge für die Über­ein­künf­te in Paris ist ein Bericht des Inter­go­vern­men­tal Panel on Cli­ma­te Chan­ge 2013/​14 (IPCC). Dar­in sind die aktu­ells­ten wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se zum Kli­ma­wan­del zusam­men­ge­fasst. Die Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur auf der Erde ist zwi­schen 1880 und 2012 um 0.85°C ange­stie­gen. Bis 2100 wird ein wei­te­rer Anstieg von 1.5 – 4.8°C pro­gnos­ti­ziert, je nach­dem wel­che poli­ti­schen Maß­nah­men getrof­fen wer­den. Der Tem­pe­ra­tur­an­stieg ist eine Fol­ge von mehr Treib­haus­ga­sen in der Atmo­sphä­re. Die ver­stärk­te Treib­haus­gas­emis­si­on hängt mit dem glo­bal wach­sen­den Ener­gie­be­darf zusam­men, der zwi­schen 1800 und 2010 um das 50-fache gestie­gen ist. Im Jahr 2013 deck­ten fos­si­le Ener­gie­trä­ger, deren Nut­zung Treib­haus­ga­se frei­setzt, 81,5% des glo­ba­len Pri­mär­ener­gie­auf­kom­mens. Pri­mär­ener­gie ist Ener­gie, die direkt aus den ursprüng­li­chen Ener­gie­quel­len bezo­gen wer­den kann. Kern­ener­gie bei­spiels­wei­se ist Pri­mär­ener­gie, die Ener­gie eines mit Kern­ener­gie betrie­be­nen Wär­me­kraft­werks jedoch nicht.

 

Wirtschaftswachstum und Klima

Hohe Treib­haus­gas­emis­sio­nen und Ener­gie­be­darf gehen mit einem star­ken Wirt­schafts­wachs­tum ein­her, nied­ri­ge Emis­sio­nen und Ener­gie­be­darf mit einem gerin­gen Wachs­tum. Die Fra­ge nach der Kau­sa­li­tät zwi­schen die­sen Grö­ßen ist ideo­lo­gisch stark auf­ge­la­den und ent­schei­dend für die Stra­te­gien zur Bekämp­fung der Erd­er­wär­mung. So wird argu­men­tiert, dass sau­be­re Tech­no­lo­gien schäd­li­che Emis­sio­nen und Wirt­schafts­wachs­tum ent­kop­peln kön­nen. Für die Umset­zung des Pari­ser Abkom­mens bräuch­te es ab 2050 eine kom­plet­te Tren­nung. Frag­lich bleibt, ob bei stei­gen­dem Wirt­schafts­wachs­tum und Kon­sum eine nach­hal­ti­ge Reduk­ti­on der Treib­haus­gas­emis­sio­nen tat­säch­lich mög­lich ist.


Wo entstehen Emissionen?

Stra­te­gien zur Bekämp­fung des Kli­ma­wan­dels set­zen momen­tan nicht beim Kon­sum an. Der Groß­teil der vor­ge­schla­ge­nen poli­ti­schen Maß­nah­men hin zu einem CO2-armen Wirt­schafts­sys­tem sieht tech­no­lo­gie­ba­sier­te Ver­än­de­run­gen vor. Allen vor­an der Ener­gie­sek­tor soll auf erneu­er­ba­re Ener­gie­quel­len umge­stellt wer­den. Die­se Vor­ge­hens­wei­se greift aller­dings zu kurz, weil sie am natio­nal­staat­li­chen Ter­ri­to­ri­um und der Pro­duk­ti­on ori­en­tiert ist. Zur­zeit wer­den Emis­sio­nen dort gemes­sen, wo sie pro­du­ziert wer­den. Wo aller­dings der Kon­sum statt­fin­det, bleibt außer­halb des Blick­fel­des. Wenn Län­der also emis­si­ons­in­ten­si­ve Indus­trien ins Aus­land aus­la­gern, sin­ken die Emis­sio­nen in den ursprüng­li­chen Län­dern. Die­ses Phä­no­men wird Car­bon Leaka­ge genannt. Es führt dazu, dass nicht über­prüft wer­den kann, ob eine Emis­si­ons­re­duk­ti­on durch eine Ent­kar­bo­ni­sie­rung oder eine Aus­la­ge­rung erreicht wurde.

 

Markt gegen Erderwärmung?

Um die glo­ba­len Emis­sio­nen zu redu­zie­ren hat sich die Kli­ma­kon­fe­renz in Paris auf den Han­del mit Emis­si­ons­zer­ti­fi­ka­ten, soge­nann­ten „inter­na­tio­nal­ly trans­fe­red miti­ga­ti­on out­co­mes“ (ITMOs) geei­nigt. Der domi­nan­ten Markt­lo­gik fol­gend wird Kli­ma­wan­del dabei als Treib­haus­gas­emis­sio­nen quan­ti­fi­ziert, mit einem Preis ver­se­hen und auf inter­na­tio­na­len Märk­ten gehan­delt. Dabei wer­den exis­tie­ren­de Ungleich­ge­wich­te repro­du­ziert indem die­sel­be Markt­lo­gik, die sie her­vor­ge­bracht hat, auf die Bewäl­ti­gung des Kli­ma­wan­dels aus­ge­wei­tet wird. Die Kom­ple­xi­tät sozio-öko­lo­gi­scher Sys­te­me kann mit die­ser Logik jedoch nicht annä­hernd gefasst werden.

Eine sol­che Markt­lo­gik kommt bei­spiels­wei­se zum Zug, wenn Emis­sio­nen durch Kom­pen­sa­ti­ons­pro­jek­te anders­wo aus­ge­gli­chen wer­den. Die „Öko­sys­tem­dienst­leis­tung“ der Sen­ken­funk­ti­on, also der CO2 Spei­che­rung in Böden oder Wäl­dern, wird an zah­lungs­fä­hi­ge Abneh­me­rIn­nen in Form von Emis­si­ons­gut­schrif­ten ver­kauft. Oft wer­den die­se Gut­schrif­ten von ärme­ren Län­dern mit schwa­chen demo­kra­ti­schen Insti­tu­tio­nen ange­bo­ten und gehen mit Land­raub und der Umsied­lung der poli­tisch schwächs­ten Grup­pen ein­her. Auf die­se Wei­se wer­den die Kos­ten des Kli­ma­wan­dels nach unten wei­ter­ge­ge­ben und sozia­le sowie glo­ba­le Ungleich­ge­wich­te verstärkt.

Dabei kommt es zu absur­den Fäl­len, in denen teils aut­ar­ke Bevöl­ke­rungs­grup­pen für den Kli­ma­wan­del ver­ant­wort­lich gemacht wer­den, weil sie Wald­flä­chen für Fel­der abhol­zen. Gleich­zei­tig wird die Umwand­lung von Regen­wald in Groß­plan­ta­gen als annä­hernd kli­ma­neu­tral bewertet.

Alternative Strategien

Um die glo­ba­le Erd­er­wär­mung tat­säch­lich unter 2°C zu hal­ten, dür­fen zwi­schen 2011 und 2100 ins­ge­samt nicht mehr als 1.000 Giga­ton­nen an Treib­haus­ga­sen in die Atmo­sphä­re gelan­gen. Damit das gelin­gen kann, braucht es eine brei­te, glo­ba­le, gesell­schaft­li­che Anstren­gung und Zustim­mung, die ohne Berück­sich­ti­gung von Ver­tei­lungs­fra­gen und der All­tags­pro­ble­me der Men­schen kaum zu errei­chen ist. Das Pari­ser Abkom­men ist nicht aus­rei­chend, weil es die Ent­kop­pe­lung des Ener­gie­ver­brauchs vom Wirt­schafts­wachs­tum durch Markt­me­cha­nis­men zum Ziel hat. Es gibt aber ande­re Wege zu einer gerech­ten sozio-öko­lo­gi­schen Transformation.

Ers­tens ist der Öko­lo­gi­sche Fuß­ab­druck für die Abbil­dung von Emis­sio­nen bes­ser geeig­net. Er misst die Sum­me aller Treib­haus­gas­emis­sio­nen, die für die Her­stel­lung eines bestimm­ten Pro­duk­tes not­wen­dig sind, unab­hän­gig davon wo die­se frei­ge­setzt wer­den. Emis­sio­nen wer­den dort gemes­sen, wo sie kon­su­miert wer­den. Auf die­ser Basis las­sen sich sinn­vol­le­re Steu­ern auf die CO2 Kos­ten von Pro­duk­ten erhe­ben, wodurch Car­bon Leaka­ge und lan­ge Trans­port­we­ge weni­ger ren­ta­bel wer­den. Gleich­zei­tig stärkt die­ser Ansatz das Bewusst­sein für glo­ba­le Güter­ket­ten und Ungleich­ge­wich­te sowie die Kli­ma­ver­träg­lich­keit diver­ser Pro­duk­te in der Bevölkerung.

Zwei­tens müs­sen All­tags­be­dürf­nis­se mit Kli­ma­po­li­tik ver­knüpft wer­den, damit es brei­te Zustim­mung für eine sozi­al-gerech­te öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on gibt. ArbeiterInnen‑, Frau­en- und Umwelt­be­we­gun­gen müss­ten dazu ver­stärkt die Dimen­sio­nen der jeweils ande­ren Bewe­gun­gen in ihre eige­ne Denk- und Hand­lungs­wei­se inte­grie­ren um gemein­sam auf­zu­tre­ten. For­de­run­gen nach Arbeits­zeit­ver­kür­zung las­sen sich zum Bei­spiel mit umwelt­po­li­ti­schen For­de­run­gen nach einer Abkehr vom Wachs­tum ver­knüp­fen. Die Aus­wei­tung von gut bezahl­ten Dienst­leis­tun­gen im Sozi­al­be­reich kann die Ent­kopp­lung von Emis­sio­nen und Wachs­tum vorantreiben.

Zum Wei­ter­le­sen

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