›Starve the beast‹ reloaded? – BEIGEWUM

›Starve the beast‹ reloaded?

am 3. September 2009 um 22:05h

»›Star­ving the beast‹ is a fis­cal-poli­ti­cal stra­te­gy of some Ame­ri­can con­ser­va­ti­ves to use bud­get defi­ci­ts via tax cuts to for­ce future reduc­tions in the size of government«, so steht es in der eng­lisch­spra­chi­gen Wiki­pe­dia. Der Staat soll dem­nach über Steu­er­kür­zun­gen aus­ge­hun­gert und so der Staats­ein­fluss redu­ziert wer­den. Über sin­ken­de Ein­nah­men erhöht man zudem den Druck für ›Refor­men‹. Die­se sind meis­tens gegen einen rele­van­ten Teil der Bevöl­ke­rung gerich­tet und daher unpo­pu­lär, wes­halb exter­ne Druck­mit­tel wie die Staats­ver­schul­dung her­hal­ten müs­sen um die (Sozial-)Kürzungen zu legi­ti­mie­ren. Die »Kampf­pa­ro­le der Reago­no­mics« (Wolf­gang Lieb) scheint inhalt­lich wiederzukehren.

Steu­ern nied­rig lassen?

In Öster­reich wur­den Kapi­tal­ein­kom­men und Bes­ser­ver­die­nen­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren steu­er­lich ent­las­tet. So wur­de die Kör­per­schafts­steu­er gesenkt, die Erb­schafts- und Schen­kungs­steu­er ganz aus­lau­fen gelas­sen, die Ver­mö­gen­steu­er wird seit Jah­ren nicht erho­ben, für Selb­stän­di­ge sind neue Frei­be­trä­ge ein­ge­führt wor­den, die Ein­kom­men­steu­er wur­de für Spit­zen­ver­die­ne­rIn­nen gleich mehr­fach gesenkt, pro­fi­tie­ren die­se doch von der Aus­wei­tung des Grund­frei­be­trags, der Sen­kung der Steu­er­ta­ri­fe und der Ver­schie­bung des zu ver­steu­ern­den Ein­kom­mens, ab der der Spit­zen­steu­er­satz greift. Kurz­um: Der Staat ver­zich­tet auf zahl­rei­che Ein­nah­men. Die­se Poli­tik zeigt Wir­kung! Vie­le der ›Refor­men‹ (sprich: Spar­maß­nah­men) der ver­gan­ge­nen Jah­re wur­den mit dem klam­men Staats­haus­halt begrün­det; aktu­ell wird die Min­dest­si­che­rung nur 12 Mal im Jahr aus­be­zahlt – statt 14 mal, wie ursprüng­lich geplant. Stra­ßen, Schu­len usw. schie­ben einen erheb­li­chen Inves­ti­ti­ons­be­darf vor sich her, der wegen der klamm gemach­ten Kas­sen nicht beho­ben wird. Und über Null­lohn­run­den im öffent­li­chen Dienst wird auch flei­ßig spekuliert…
Die lee­ren Kas­sen sind kein Natur­ge­setz. Einer­seits sind sie einer ver­fehl­ten Steu­er­po­li­tik geschul­det, ande­rer­seits einer fal­schen Wirt­schafts­po­li­tik, die zu sehr auf Export und zu wenig auf den Bin­nen­markt geach­tet hat und drit­tens natür­lich den Ban­ken­ret­tungs- und Kon­junk­tur­pa­ke­ten. Gera­de letz­te­re müs­sen auch bezahlt wer­den. Einen Teil die­ser Finan­zie­rung könn­te man über eine Ver­mö­gen­steu­er tra­gen, hier sper­ren sich ÖVP und SPÖ bekannt­lich, ande­re schla­gen die Erhö­hung der Mehr­wert­steu­er vor. Josef Pröll hat jetzt nach­ge­legt und offen gesagt, um was es geht: Im Som­mer­ge­spräch mit dem ORF sag­te er ers­tens, dass schon eine Dis­kus­si­on über neue Steu­ern schäd­lich sei, zwei­tens gab er bekannt, dass die Kon­so­li­die­rung des Bud­gets nur aus­ga­ben­sei­tig erfol­gen sol­le und drit­tens, dass der Druck durch die Kri­se heil­sam sei, um Refor­men anzu­sto­ßen. Aha.

Pröll star­tet Kam­pa­gne zum Schutz der Reichen

Man muss sich dies auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen: Josef Pröll for­dert, dass in einer Situa­ti­on der Wirt­schafts­kri­se, in der mas­siv Staats­geld zur Ret­tung von Ver­mö­gen ein­ge­setzt wur­de, nicht über Steu­ern gespro­chen wer­den darf. Es ist ein merk­wür­di­ges Demo­kra­tie­ver­ständ­nis, wenn eine der zen­tra­len Auf­ga­ben des Par­la­ments – man erin­ne­re sich an »No taxa­ti­on without repre­sen­ta­ti­on« – ent­po­li­ti­siert und einem ver­meint­li­chen Sach­zwang unter­wor­fen wer­den soll. Was Pröll ver­sucht ist Erpres­sung: Wer über Steu­ern redet, dem wird am Ende noch die Schuld für den wei­te­ren Ver­lauf der Kri­se in die Schu­he gescho­ben. Damit schützt er sei­ne Kli­en­tel: Die­je­ni­gen, die höhe­re Steu­ern bezah­len könn­ten und müssten!
Pröll sagt dies auch deut­lich: Er will Ver­mö­gen­steu­ern aus »Soli­da­ri­tät mit den Leis­tungs­be­rei­ten« aus­schlie­ßen. Leis­tungs­be­reit sind in die­ser Defi­ni­ti­on weder die Kran­ken­schwes­ter noch der Alten­pfle­ger, denn die haben sicher­lich kei­ne Ver­mö­gen (es sei denn geerbt), die Ver­mö­gen­steu­ern nach sich zögen. Was Pröll hier offen­bart ist ein per­ver­tier­ter Leis­tungs­be­griff, denn nach die­ser Defi­ni­ti­on ist ein Groß­er­be mit viel Ver­mö­gen leis­tungs­be­rei­ter als bspw. Kin­der­gärt­ne­rIn­nen. Und: Vom Leis­tungs­fä­hig­keits­prin­zip scheint Pröll auch nichts zu hal­ten, dass näm­lich star­ke Schul­tern mehr tra­gen müs­sen als Schwa­che. Selbst wenn alle Ver­mö­gen­den leis­tungs­stär­ker wären als ande­re, wür­de sich die Fra­ge stel­len, ob eine Ver­mö­gen­steu­er nicht den­noch berech­tigt wäre. Von der Fra­ge, was Leis­tung in einer Gesell­schaft ist, mal ganz zu schweigen.
Der drit­te Punkt offen­bart die gesamt Pröll’sche Logik: Der Spar­druck soll gestei­gert wer­den, um ›Refor­men‹ (bspw. Ein­schnit­te ins sozia­le Netz, Pri­va­ti­sie­run­gen, Null­lohn­run­den…) durch­set­zen zu kön­nen, die zu Las­ten gro­ßer Tei­le der Bevöl­ke­rung gehen. »Star­ve the beast« in Reinform.

Mehr­wert­steu­ern?

Dass das Schlank­spa­ren sehr selek­tiv sein kann, haben die deut­schen Sozi­al­de­mo­kra­ten bewie­sen: Erst haben sie zusam­men mit den Grü­nen die Spit­zen­steu­ern von 53 auf 42 Pro­zent gesenkt, die Kör­per­schaft­steu­er mas­siv redu­ziert und damit einen bestimm­ten Teil der Bevöl­ke­rung ent­las­tet und als Fol­ge – es muss­te ja gespart wer­den – bspw. Hartz IV ein­ge­führt. Dann haben sie zusam­men mit der CDU die Mehr­wert­steu­er um 3 Pro­zent­punk­te ange­ho­ben. Wenn also Pröll merkt – und er weiß es eigent­lich schon jetzt – dass das Spa­ren nicht aus­rei­chen wird, dann wird er noch lan­ge nicht die Ver­mö­gen­den zur Kas­se bit­ten, son­dern über Mehr­wert­steu­er­erhö­hun­gen dis­ku­tie­ren. So wer­den die Las­ten der Ein­spa­run­gen und der Ein­nah­me­er­hö­hun­gen auf die Mas­se ver­teilt, was für die Bes­ser­si­tu­ier­ten natür­lich toll ist – ob sie sich mit Par­tei­spen­den oder Jobs nach der akti­ven Poli­tik­kar­rie­re erkennt­lich zei­gen? Und ob die SPÖ da – wie­der ein­mal – mitmacht? 


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