Mythen des Reichtums – BEIGEWUM

Stichwort: Mythen des Reichtums


Mythos: „Die Reichen haben in der Krise viel verloren“

Februar. 19th 2015 — 15:30

Nur weni­ge Jah­re nach der Tal­fahrt der Märk­te ver­mel­den Mil­lio­närs­be­rich­te, dass die Rei­chen  rei­cher sind, als sie es vor der Kri­se waren. Die Gesamt­wirt­schaft und ins­be­son­de­re die Ein­kom­men und Ver­mö­gen der gro­ßen Mehr­heit der Bevöl­ke­rung haben sich im glei­chen Zeit­raum wesent­lich schlech­ter entwickelt. 

Gro­ße Ver­mö­gen, ris­kan­te Veranlagung

Anfangs san­ken vor allem die Immo­bi­li­en­prei­se in den USA. Das betraf fast alle Haus­hal­te. Der fol­gen­de Ein­bruch der Akti­en­kur­se betraf hin­ge­gen ins­be­son­de­re die Ver­mö­gen­den. Im Ver­hält­nis zu ihrem Gesamt­ver­mö­gen fie­len die­se Ver­lus­te aber gerin­ger aus als jene der ärme­ren Haus­hal­te. Als Fol­ge stieg die sozia­le Ungleich­heit. Seit­her haben sich die Haus­prei­se nur mäßig bis gar nicht erholt, wäh­rend an den Akti­en- und Anlei­hen­märk­ten eine neue Gold­grä­be­rIn­nen­stim­mung aus­ge­bro­chen ist. Ähn­li­che Phä­no­me­ne kön­nen auch in Euro­pa beob­ach­tet wer­den: Spar­bü­cher oder Bau­spar­ver­trä­ge, klas­si­sche Anla­ge­for­men für weni­ger Ver­mö­gen­de, sta­gnie­ren auf­grund der nied­ri­gen Zin­sen oder ver­lie­ren sogar real deut­lich an Wert. Die eher von Rei­chen gehal­te­nen Ver­mö­gens­kom­po­nen­ten erle­ben hin­ge­gen einen enor­men Boom. Der öster­rei­chi­sche Akti­en­in­dex ATX stieg seit Anfang 2009 von rund 1.400 auf rund 2.600 Punk­te, ver­dop­pel­te sich also fast. Noch stär­ker stieg der deut­sche DAX.

Aus Ban­ken- wer­den Staatsschulden

Nach­dem im Herbst 2008 in den USA die Invest­ment­bank Leh­man Bro­thers Plei­te gegan­gen war, kamen nach und nach auch die fau­len Kre­di­te und Kre­dit­ver­brie­fun­gen euro­päi­scher Ban­ken ans Tages­licht. Die Ban­ken ver­lo­ren das Ver­trau­en in ihre gegen­sei­ti­ge Fähig­keit, Kre­di­te zurück­zah­len zu kön­nen, und lie­hen ein­an­der kein Geld mehr. Durch die star­ke Ver­flech­tung des inter­na­tio­na­len Ban­ken­sys­tems war kaum seri­ös zu beant­wor­ten, wel­che Bank tat­säch­lich »sys­tem­re­le­vant« war und wel­che beden­ken­los in die Plei­te geschickt wer­den konn­te. Selbst Ban­ken, die das Aus­fal­len der eige­nen fau­len Kre­di­te über­stan­den hät­ten, wären indi­rekt über das Zusam­men­bre­chen ande­rer Kre­dit- und Ver­si­che­rungs­in­sti­tu­te betrof­fen gewe­sen. So war bald klar, dass ohne staat­li­che Stüt­zungs­maß­nah­men das Ban­ken­sys­tem nicht zu ret­ten war. Die­se Ein­grif­fe ret­te­ten im Grun­de den gesam­ten euro­päi­schen Finanz­sek­tor und damit auch die gro­ßen pri­va­ten Ver­mö­gen. Die Kos­ten für die Ban­ken­ret­tun­gen und die Rezes­si­on erhöh­te die Staats­schul­den mas­siv. Am deut­lichs­ten wird das in Irland, des­sen Schul­den­stand von 25% des Brut­to­in­lands­pro­dukts 2007 auf 91% 2010 hochschnellte.

Arme zah­len die Rechnung

Um die Staats­schul­den wie­der zu sen­ken, wird Aus­teri­täts­po­li­tik betrie­ben. Die­se trifft ärme­re Haus­hal­te im All­ge­mei­nen beson­ders stark – sie zah­len die Rech­nung für die Ret­tung der Ver­mö­gen­den. Am deut­lichs­ten sieht man die­se Schief­la­ge in Grie­chen­land: Die Troi­ka aus Euro­päi­scher Kom­mis­si­on, EZB und Inter­na­tio­na­lem Wäh­rungs­fonds zwingt Grie­chen­land eine »inne­re Abwer­tung« auf, also Lohn­kür­zun­gen für die arbei­ten­den Men­schen und eine Sen­kung der Staats­aus­ga­ben. Zugleich sieht sie taten­los dabei zu, wie Grie­chen­lands Rei­che ihr unver­steu­er­tes Geld in der Schweiz ver­ste­cken. Doch Grie­chen­land ist nur ein Bei­spiel. In ganz Euro­pa kommt es, wenn auch weni­ger bru­tal, zu einem Rück­bau des Sozi­al­staats. Damit wird jene Insti­tu­ti­on geschwächt, die die Men­schen in der Kri­se am bes­ten vor Armut und die Pen­sio­nen vor den Lau­nen der Finanz­märk­te schützt.

Um die­se Umver­tei­lung zu den Rei­chen zu kor­ri­gie­ren, müss­te die Poli­tik sie die Kos­ten der Kri­se und ihrer Bekämp­fung bezah­len las­sen, etwa über höhe­re Steu­ern auf Ver­mö­gen. Doch davon ist nichts zu sehen. Die Rei­chen und ihre Ver­mö­gen sind also bis­lang die kla­ren Gewin­ne­rIn­nen der Krise.


Beim vor­lie­gen­den Bei­trag han­delt es sich um den letz­ten von vier gekürz­ten Ver­sio­nen eines Kapi­tels aus dem aktu­el­len Buch „Mythen des Reich­tums. War­um Ungleich­heit unse­re Gesell­schaft gefähr­det“. Die­ses wur­de vom BEIGEWUM, Attac und der Armuts­kon­fe­renz her­aus­ge­ge­ben und stellt den bestehen­den Mythen des Reich­tums Fak­ten ent­ge­gen. Die AutorIn­nen set­zen sich mit Gerech­tig­keits- und Leis­tungs­be­grif­fen aus­ein­an­der, erör­tern die empi­ri­sche Ver­mö­gens­for­schung, und unter­su­chen die Gefah­ren der Ver­mö­gens­kon­zen­tra­ti­on für die Demokratie.

Das Buch ist im VSA-Ver­lag erschie­nen und kann hier bestellt werden.

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23.1.: Stammtisch ÖGS-Sektion Soziale Ungleichheit mit Vorstellung „Mythen des Reichtums“

Dezember. 11th 2014 — 9:27

Der nächs­te Stamm­tisch der ÖGS-Sek­ti­on Sozia­le Ungleich­heit fin­det am 23. Jän­ner 2015 um 19h im Bespre­chungs­raum (Uni­ver­si­tät Wien, Insti­tut für Sozio­lo­gie, 4.Stock,) statt.

Wir star­ten mit euch ins neue Jahr um euch die Sek­ti­on vor­zu­stel­len, alle die sich für das The­ma Sozia­le Ungleich­heit inter­es­sie­ren sind ein­ge­la­den sich ein­zu­brin­gen und auch ger­ne selbst aktiv zu werden.
Wir prä­sen­tie­ren unser Pro­gramm für 2015, plus die bis­he­ri­gen Arbeits­schwer­punk­te die zum Teil wie­der­be­lebt oder erwei­tert wer­den können.

Julia Hof­mann stellt an die­sem Abend die neu erschie­ne­ne Publi­ka­ti­on „Mythen des Reich­tums – War­um Ungleich­heit unse­re Gesell­schaft gefähr­det“ her­aus­ge­ge­ben von BEIGEWUM, Attac und der Armuts­kon­fe­renz vor.

Julia Hof­mann ist Mit­glied des Sek­ti­ons­rats Sozia­le Ungleich­heit und im Vor­stand vom BEIGEWUM. Sie arbei­tet als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin an der JKU der Uni­ver­si­tät Linz am Insti­tut für Sozio­lo­gie, Abtei­lung Wirt­schafts- und Organisationssoziologie.

Der Stamm­tisch bie­tet den Rah­men zum Aus­tausch und kann als Ein­stieg oder Anknüp­fungs­punkt zur Sek­ti­on genutzt werden.
Im Anschluss dar­an wan­dert der Stamm­tisch wei­ter ins Lokal Stadtkind.

http://www.vsa-verlag.de/nc/buecher/detail/artikel/mythen-des-reichtums/

Wir freu­en uns auf euer/​Ihr Kom­men! Die ÖGS-Sek­ti­on Sozia­le Ungleichheit

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