Rating Agenturen – wozu noch? – BEIGEWUM

Rating Agenturen – wozu noch?

am 16. Mai 2010 um 23:39h

Im Fokus der Kri­tik der ver­gan­ge­nen Wochen waren wie­der ein­mal die Rating-Agen­tu­ren. Die von die­sen ver­häng­ten Ver­schlech­te­run­gen im Rating von Län­dern wie Grie­chen­land, Por­tu­gal oder Spa­ni­en haben deren Zugang zu den Kapi­tal­märk­ten bedeu­tend erschwert. Die Risi­ko­auf­schlä­ge, die die­se Län­der zu Refi­nan­zie­rung ihrer Staats­schuld zah­len müs­sen, sind zum Teil dras­tisch gestie­gen. Ergibt sich dar­aus ein Zins­satz von 10% oder mehr, ist die Ver­schul­dung für das Land de-fac­to nicht mehr finan­zier­bar. Den Rating-Agen­tu­ren wur­de daher vor­ge­wor­fen, die Kri­se die­ser Län­der noch wei­ter zu verschlimmern.

Daher wur­de die Kri­tik an den Rating-Agen­tu­ren, die im Zuge der US-ame­ri­ka­ni­schen Hypo­the­ken­kri­se ja schon auf­ge­kom­men war, auch in Euro­pa wie­der lau­ter. In den Chor der Kri­ti­ke­rIn­nen stimm­te dies­mal auch die deut­sche Kanz­le­rin Ange­la Mer­kel ein. Die­se mein­te, die Ein­rich­tung einer euro­päi­schen Rating-Agen­tur wäre nötig, um das herr­schen­de US-ame­ri­ka­ni­sche Oli­go­pol von Rating-Agen­tu­ren (Standard&Poors, Moo­dys, Fitch) zu bre­chen. Nur so könn­ten euro­päi­sche Inter­es­sen bes­ser gewahrt wer­den. Mer­kel wie­der­holt damit eine For­de­rung, die in ähn­li­cher Form schon von ande­ren Exper­tIn­nen und Poli­ti­ke­rIn­nen als For­de­rung an die euro­päi­sche Re-Regu­lie­rung der Finanz­märk­te gestellt wor­den ist. 

Ist aber die Ein­rich­tung einer euro­päi­schen Rating-Agen­tur wirk­lich die Lösung des Pro­blems? Bevor ich dar­auf näher ein­ge­he, soll­ten wir dem Phä­no­men Rating-Agen­tu­ren zuerst auf den Grund gehen. Was machen Rating-Agen­tu­ren eigent­lich? Rating-Agen­tu­ren sind pri­va­te Fir­men, deren Geschäft dar­in besteht, die Kre­dit­wür­dig­keit von Unter­neh­men, Ban­ken, aber auch öffent­li­chen Kör­per­schaf­ten und Staa­ten zu beur­tei­len. Ergeb­nis der Beur­tei­lung ist ein Rating, d.h. eine Note in einem von Fir­ma und Fir­ma leicht unter­schied­li­chen Beur­tei­lungs­sche­ma. Wie der Beur­tei­lungs­pro­zess genau abläuft, wel­che Indi­ka­to­ren mit wel­chem Gewicht in die Bewer­tung ein­flie­ßen, ist aller­dings der Öffent­lich­keit nicht bekannt. Die Fir­men betrach­ten ihre Rating-Model­le als Geschäftsgeheimnisse. 

Die ande­re Fra­ge in die­sem Zusam­men­hang ist, wel­che volks­wirt­schaft­li­che Funk­ti­on Rating Agen­tu­ren erfül­len und war­um Rating-Agen­tu­ren in den letz­ten 20 Jah­ren eine sol­che Bedeu­tung erlan­gen konn­ten. Fest­zu­hal­ten ist, dass die Beur­tei­lung der Kre­dit­wür­dig­keit von Schuld­nern grund­sätz­lich eine Auf­ga­be des Gläu­bi­gers ist. In den kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­schen Bank-basier­ten Finanz­sys­te­men fiel die­se Auf­ga­be tra­di­tio­nell den Ban­ken zu, da die­se die Haupt­fi­nan­ciers sowohl der Wirt­schaft als auch der öffent­li­chen Kör­per­schaf­ten waren. Im Fall der Finan­zie­rung über den Kapi­tal­markt (z.B durch Emis­si­on von Unter­neh­mens­an­lei­hen oder Staats­an­lei­hen) tritt die die Emis­si­on durch­füh­ren­de Bank jedoch nicht mehr als Gläu­bi­ger, son­dern als Ver­mitt­ler auf. Sie kann daher durch­aus die Boni­täts­prü­fung vor­neh­men, man könn­te ihr aber einen Inter­es­sens­kon­flikt vor­wer­fen. Sie ist ja schließ­lich dar­an inter­es­siert, dass die Anlei­hen­emis­si­on ein Erfolg wird, und könn­te daher ver­sucht sein, die Boni­tät des Schuld­ners in zu gutem Licht dar­zu­stel­len. Im Zuge der Expan­si­on der Finanz­märk­te der letz­ten 20 Jah­re ging es zuneh­mend dar­um, neue deri­va­ti­ve Finanz­pro­duk­te zu kre­ieren und auf den Markt zu wer­fen. Die­se Krea­tio­nen wur­den zu einem ertrag­rei­chen Wachs­tums­markt, der fet­te Ren­di­ten ver­sprach. Haupt­pro­fi­teu­re die­ser Ent­wick­lung waren die (Investment-)Banken, die sich auf die Ent­wick­lung die­ser Pro­duk­te spe­zia­li­sier­ten. Noto­ri­sche Berühmt­heit im Zuge der Finanz­kri­se erlang­ten Instru­men­te wie etwa Ver­brie­fun­gen (z.B. CDOs – col­la­te­ra­li­zed debt obli­ga­ti­ons) oder CDS – credit default swaps, das sind Wet­ten auf den Bank­rott von Schuld­nern. Um die­sen neu­en Instru­men­ten Glaub­wür­dig­keit zu geben, war das „Güte­sie­gel“ einer Boni­täts­no­te (Rating), ver­ge­ben von einer „unab­hän­gi­gen“ Rating-Agen­tur äußerst geschäfts­för­dernd. Welch Zufall, dass die pri­va­ten , gewinn­ori­en­tiert agie­ren­den Rating-Agen­tu­ren jedes Inter­es­se dar­an haben muss­ten, dass mög­lichst vie­le sol­cher neu­en „Finanz­in­no­va­tio­nen“ auf den Markt kamen. Schließ­lich ver­dien­ten sie an der Bewer­tung die­ser Instru­men­te ja präch­tig. Dass die Ratings daher etwas zu gut aus­fie­len, ist naheliegend. 

Die Inter­es­sen­kon­ver­genz zwi­schen Ban­ken, ande­ren Finanz­ak­teu­ren (z.B. Hedge-Fonds) und Rating-Agen­tu­ren liegt daher auf der Hand. 

Aus die­ser auch vom wirt­schafts­po­li­ti­schen Main­stream ver­tre­te­nen Kri­tik, wur­de die For­de­rung zur Ein­rich­tung einer euro­päi­schen Agen­tur (z.T. in der Vari­an­te als öffent­li­che Gesell­schaft) abge­lei­tet. Hin­ter die­ser For­de­rung steht die Annah­me, dass wenn die Inter­es­sen erst ein­mal außen vor gelas­sen wer­den, eine „objek­ti­ve“ Beur­tei­lung des Kre­dit­ri­si­kos mög­lich wäre. Mit ande­ren Wor­ten, dass also die ana­ly­ti­schen Instru­men­te exis­tie­ren, die es fach­lich qua­li­fi­zier­ten und wirk­lich unab­hän­gi­gen Insti­tu­ten ermög­lich­ten, ein „objek­ti­ves“ Urteil abzu­ge­ben. Man­che stel­len sich daher eine sol­che Rating-Agen­tur als gerichts­ähn­li­ches Exper­tIn­nen­gre­mi­um (ein neu­er Wei­sen­rat?) vor. 

Die­se Vor­stel­lung ist aller­dings aus zumin­dest zwei Grün­den zu hin­ter­fra­gen. Zum einen ist auch in einer öffent­li­chen Ein­rich­tung, selbst wenn ihr for­ma­le Unab­hän­gig­keit zuer­kannt wird, immer mit Ein­fluss­nah­me zu rech­nen, sowohl von poli­ti­schen als auch wirt­schaft­li­chen Akteu­ren. Gera­de im Geld- und Finanz­we­sen kön­nen sich auch als Inbe­griff der Unab­hän­gig­keit ver­ste­hen­de Orga­ni­sa­tio­nen wie Noten­ban­ken poli­ti­scher und wirt­schaft­li­cher Ein­fluss­nah­me nicht ent­zie­hen. Die jüngs­ten Poli­tik­än­de­run­gen der EZB zei­gen dies deutlich. 

Der ande­re, und gewich­ti­ge­re Ein­wand ist ein epis­te­mo­lo­gi­scher. Kann es so etwas, wie ein objek­tes Rating-Modell, d.h. eine all­ge­mein­gül­ti­ge Metho­de geben, anhand derer sich die Kre­dit­wür­dig­keit einer wirt­schaft­li­chen Enti­tät bemes­sen lässt? Ich mei­ne nein. Die Kre­dit­wür­dig­keit ist nichts ande­res als die Ein­schät­zung der Rück­zah­lungs­fä­hig­keit eines Schuld­ners. Die­se Rück­zah­lungs­fä­hig­keit hängt aber nicht nur von noch rela­tiv leicht fest­stell­ba­ren Gegen­warts­pa­ra­me­tern (Eigen­ka­pi­tal­quo­te, Cash-Flow u.ä.), son­dern ent­schei­dend von Zukunfts­va­ria­blen ab. Ins­be­son­de­re die Geschäfts­ent­wick­lung eines Unter­neh­mens, die wie­der­um vom Geschick des Manage­ments, der Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit des Unter­neh­mens, der Ein­satz­be­reit­schaft der Arbeit­neh­me­rIn­nen, aber letzt­end­lich auch von der all­ge­mei­nen Wirt­schafts­ent­wick­lung in der Zukunft abhän­gig ist, unter­lie­gen einer fun­da­men­ta­len Unsi­cher­heit, die sich jedem pro­ba­bi­lis­ti­schen Kal­kül letzt­end­lich ent­zieht. Die­se Ein­sicht zu akzep­tie­ren, bedeu­tet nicht, auf jed­we­de Boni­täts­be­ur­tei­lung zu ver­zich­ten. Aber es erge­ben sich zwei grund­le­gen­de Kon­se­quen­zen: ers­tens wird klar, dass jedes Rating-Modell kei­ne all­ge­mein­gül­ti­ge Beur­tei­lung der Rea­li­tät ist, son­dern die Beur­tei­lung einer mög­li­chen Zukunft, die von einer ganz bestimm­ten theo­re­ti­schen Per­spek­ti­ve aus getrof­fen wird und auf ganz bestimm­ten metho­do­lo­gi­schen Annah­men beruht. A‑priori lässt sich somit auch nicht sagen, wel­ches von meh­re­ren Rating-Model­len die tat­säch­li­che Zah­lungs­fä­hig­keit eines Unter­neh­mens oder Staa­tes bes­ser beur­teilt. Ein Rating ist daher nicht mehr als eine Hpyo­the­se über die zukünf­ti­ge Zah­lungs­fä­hig­keit eines Schuld­ners. Die Hypo­the­sen, die auf­grund der Rating­mo­del­le der markt­be­herr­schen­den Agen­tu­ren gene­riert wur­den, kön­nen ange­sichts der jüngs­ten Finanz- und Wirt­schafts­kri­se nicht mehr den Anspruch erhe­ben, irgend­ei­nen supe­rio­ren Pro­gno­se­ge­halt zu ver­kör­pern. Viel­mehr sind sie Teil des Pro­blems, das mit dem Begriff „sys­te­mi­sches Risi­ko“ umschrie­ben wird, d.h. des sys­tem­im­ma­nen­ten Auf­baus von Risi­ken im Finanz­sys­tem selbst. Ratings sind mit­aus­lö­sen­des Moment sys­tem­im­ma­nen­ter Pha­sen von „irra­tio­nal exu­ber­an­ce“ wie auch kol­lek­ti­ver Pani­ken. Auch die sie erstel­len­den sog. Exper­tIn­nen unter­lie­gen selbst die­sen kol­lek­ti­ven Schwankungen.

Zum ande­ren stellt sich die Fra­ge, wie mit die­ser fun­da­men­ta­len Unsi­cher­heit in insti­tu­tio­nel­ler Hin­sicht am bes­ten umzu­ge­hen ist. Kon­kret: sind weni­ge oder gar eine ein­zi­ge Rating-Agen­tur die bes­te insti­tu­tio­nel­le Lösung, oder gibt es ande­re und bes­se­re Mög­lich­kei­ten. Die Beur­tei­lung durch eine ein­zi­ge oder eini­ge weni­ge spe­zia­li­sier­te Agen­tu­ren setzt vor­aus, dass es mög­lich ist, (i) die dafür not­wen­di­gen Infor­ma­tio­nen und Ein­schät­zun­gen zur zukünf­ti­gen Ent­wick­lung zen­tral zu sam­meln und (ii) dann durch ein spe­zi­fi­sches Rating-Modell beur­tei­len zu las­sen. Die ers­te Annah­me hal­te ich für unrea­lis­tisch, die zwei­te für unzweck­mä­ßig. Aus­nahms­wei­se möch­te ich mit F.A. Hayek argu­men­tie­ren, dass die Zen­tra­li­sie­rung von Wis­sen zu Ver­lus­ten von dezen­tra­lem, nicht stan­dar­di­sier­ba­rem Wis­sen füh­ren muss. Wis­sen, das für die Boni­täts­prü­fung aber den qua­li­ta­ti­ven Unter­schied aus­ma­chen kann. Die Bank­mit­ar­bei­te­rin der regio­na­len Spar­kas­se, wel­che ihre Unter­neh­mens­kun­den seit Jahr­zehn­ten kennt, ver­fügt über Erfah­rungs­wis­sen, das nicht gänz­lich quan­ti­fi­zier­bar bzw. kodi­fi­zier­bar und damit für eine zen­tra­le Pla­nungs­be­hör­de, wie es eine Rating Agen­tur ist, ver­ar­beit­bar wäre. Die­ses Wis­sen ist not­wen­dig in einem Indi­vi­du­um ver­kör­pert. Es unter­liegt damit zwar sub­jek­ti­ven Kom­po­nen­ten, die zu Fehl­ent­schei­dun­gen füh­ren kön­nen (die Kre­dit­ent­schei­dung wird etwa davon beein­flusst, dass eine freund­schaft­li­che Bezie­hung mit dem Kre­dit­neh­mer besteht, obwohl alle ande­ren Fak­to­ren gegen die Kre­dit­ver­ga­be spre­chen). Nichts­des­to­we­ni­ger ist die Bank­mit­ar­bei­te­rin in einer infor­ma­ti­ons­theo­re­tisch über­le­ge­nen Posi­ti­on. Zudem wird sie lokal- oder regio­nal­öko­no­mi­sche Gesichts­punk­te stär­ker in ihrer Ent­schei­dung gewich­ten als eine zen­tra­le Rating-Agen­tur. Auch das ist legi­tim und volks­wirt­schaft­lich sinn­voll. Die zen­tra­le Rating-Agen­tur wird im Unter­schied dazu eine stan­dar­di­sier­te Bewer­tung vor­neh­men, die auf loka­le Gesichts­punk­te nicht in die­sem Aus­maß ein­geht, ja nicht ein­ge­hen kann. Ihre infor­ma­ti­ons­theo­re­ti­sche Ent­schei­dungs­grund­la­ge wird schlech­ter sein, ihr for­mal ela­bo­rier­tes Beur­tei­lungs­mo­dell aber nicht not­wen­di­ger­wei­se besser. 

Es erhe­ben sich also trif­ti­ge Zwei­fel, ob Rating Agen­tu­ren das am bes­ten geeig­ne­te insti­tu­tio­nel­le Modell für die Boni­täts­be­ur­tei­lung von Unter­neh­men sind. Aber was ist mit der Beur­tei­lung von sou­ve­rä­nen Schuld­nern, also Staa­ten, die ja der aktu­el­le Anlass für die Kri­tik waren? Hier sei an die Kri­tik von­sei­ten keyne­sia­ni­scher Öko­no­men wie Joseph Stiglitz zu Ende der 1990er Jah­ren erin­nert. Damals wur­de den Rating-Agen­tu­ren vor­ge­wor­fen, dass die­se die Ratings für die von einer schwe­ren Finanz­kri­se getrof­fe­nen asia­ti­schen Län­der zu spät her­ab­ge­stuft hät­ten. Damit wäre ein uner­wünsch­ter pro­zy­kli­scher Effekt ein­ge­tre­ten, der die Kri­se in die­sen Län­dern noch ver­tieft hät­te. In der aktu­el­len Kri­se wur­de den Rating-Agen­tu­ren nun­mehr vor­ge­wor­fen, die Ratings für Grie­chen­land et al. zu früh her­ab­ge­stuft zu haben, und damit die Kri­se mit­aus­ge­löst zu haben. Offen­bar gilt: egal, ob zu früh oder zu spät, die Kri­se wird durch das Agie­ren von Rating-Agen­tu­ren ver­stärkt. Wäre also im Umkehr­schluss die rich­ti­ge Vor­gangs­wei­se gewe­sen, die Ratings auch wäh­rend der Kri­se nicht zu ändern? In der Tat wäre das im Hin­blick auf die Lösung der Kri­se vor­teil­haft gewe­sen, weil dadurch die Refi­nan­zie­rungs­kos­ten der Staats­schuld für Grie­chen­land et al. beherrsch­bar geblie­ben wären. Den spe­ku­la­ti­ven Atta­cken auf den Staats­bank­rott wäre damit zumin­dest kein zusätz­li­cher Auf­trieb gege­ben wor­den. Auch das Hilfs­pa­ket von EU und IWF wäre in die­sem Umfang und ver­se­hen mit den bekann­ten schar­fen Auf­la­gen nicht not­wen­dig gewesen. 

Gera­de im Fall sou­ve­rä­ner Schuld­ner spricht daher viel dafür, die Ein­schät­zung der Boni­tät nicht Rating-Agen­tu­ren anzu­ver­trau­en. Die­se haben kei­ne ver­läss­li­chen Model­le, die es erlau­ben wür­den, die Zah­lungs­fä­hig­keit von Staa­ten soli­de ein­zu­schät­zen. Jede Akti­on einer Rating-Agen­tur kann hier mehr Scha­den als Nut­zen stif­ten. Stuft sie, wie aus­ge­führt, das Rating eines Staa­tes früh­zei­tig her­un­ter, ver­schärft sie die Kri­se, stuft sie zu spät her­un­ter, ver­tieft sie die Kri­se, ändert sie trotz Kri­se ihr Rating gar nicht, macht sie sich in den Augen der Gläu­bi­ger unglaub­wür­dig, und damit überflüssig. 

Der Glau­be an die Kom­pe­tenz von Rating-Agen­tu­ren, eine „objek­ti­ve“ Beur­tei­lung abzu­ge­ben, hat vie­le wirt­schaft­li­che Akteu­re dazu ver­lei­tet, sich eine eigen­stän­di­ge Ein­schät­zung zu erspa­ren. Blin­des Ver­trau­en ist aber sel­ten ein guter Rat­ge­ber. Was ist daher zu tun? Die erst­bes­te Lösung läge schlicht in der Abschaf­fung von Rating-Agen­tu­ren. Sie rich­ten mehr Scha­den als Nut­zen an. Die­se For­de­rung ist ange­sichts der gro­ßen Macht von Rating Agen­tu­ren und der vor­herr­schen­den Inter­es­sen­kol­lu­si­on mit den Ban­ken wohl nicht rea­li­sier­bar. Daher wird über zweit­bes­te Lösun­gen nach­zu­den­ken sein. Dafür müss­te in einem ers­ten Schritt die Macht der Rating-Agen­tu­ren geschwächt wer­den, indem ein öffent­li­cher Ban­ken­sek­tor auf­ge­baut wird, der Kre­dit­ver­ga­ben nach ande­ren Kri­te­ri­en als der kurz­fris­ti­gen Zah­lungs­fä­hig­keit ver­gibt (z.B. dem gesell­schaft­li­chen Nut­zen einer Inves­ti­ti­on), und damit auch schlecht gera­te­ten Unter­neh­men einen Zugang zu Kapi­tal eröff­net. In einem zwei­ten Schritt müss­ten die bestehen­den Rating-Agen­tu­ren unter öffent­li­che Kon­trol­le gebracht wer­den. Ihre Bewer­tungs­grund­la­gen müss­ten trans­pa­rent gemacht wer­den, gesell­schaft­li­che Kon­trol­le soll­te durch die Beset­zung der Ent­schei­dungs- und Auf­sichts­gre­mi­en mit aka­de­mi­schen Exper­tIn­nen, Ver­tre­te­rIn­nen von Gewerk­schaf­ten und zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen (z.B. Kon­su­men­tIn­nen-Orga­ni­sa­tio­nen) aus­ge­übt wer­den. Nur unter die­sen Prä­mis­sen macht der Auf­bau einer euro­päi­schen Rating-Agen­tur Sinn. Schließ­lich soll­ten klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men mit stark regio­nal­wirt­schaft­li­chem Bezug von einer Ver­pflich­tung zu einem Rating expli­zit aus­ge­nom­men wer­den. Die vom Basel II – Regel­werk vor­ge­se­he­ne Ver­pflich­tung, dass Ban­ken Kre­di­te an Unter­neh­men, die nicht über ein Rating ver­fü­gen, mit mehr Eigen­ka­pi­tal unter­le­gen müs­sen, erscheint daher eben­falls nicht sinnvoll.

Rating Agen­tu­ren in ihrer der­zei­ti­gen Form sind nichts ande­res als Ideo­lo­gie­ap­pa­ra­te. Sie pro­du­zie­ren kein „objek­ti­ves“ Wis­sen über die Zah­lungs­fä­hig­keit von Schuld­nern. Viel­mehr repro­du­zie­ren sie Beur­tei­lun­gen auf Basis theo­re­tisch ein­sei­ti­ger, von der Öffent­lich­keit nicht über­prüf­ba­rer Model­le. Damit deter­mi­nie­ren sie, wer zu wel­chen Kon­di­tio­nen Zugang zu Kapi­tal bekommt und wer nicht. Es wird Zeit, dass sich die Öffent­lich­keit dies nicht mehr län­ger gefal­len lässt.


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