Österreich – Steueroase ohne Palmen – BEIGEWUM

Österreich – Steueroase ohne Palmen

am 30. Juni 2009 um 23:04h

Die Fra­ge, ob Öster­reich eine Steu­er­oa­se ist, beschäf­tigt das Land spä­tes­tens seit den Ver­hand­lun­gen auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne über die Rol­le von Staa­ten wie der Schweiz, aber eben auch Öster­reich. Wir doku­men­tie­ren hier einen Bei­trag von Kle­mens Him­pe­le und Sybil­le Pirk­lbau­er, der im Herbst bei Attac erschei­nen wird in: „Steu­er­oa­sen und Off­shore Zen­tren – Die potem­kin­schen Dör­fer von heu­te“. Herz­li­chen Dank für die Erlaub­nis, den Text bereits hier zu veröffentlichen.

Öster­reich – Steu­er­oa­se ohne Palmen
Steu­ern sind ein unver­zicht­ba­res Instru­ment der Poli­tik eines Staa­tes – und zwar in drei­er­lei Hin­sicht. Zuerst die­nen sie der Finan­zie­rung öffent­li­cher Auf­ga­ben, Steu­ern sind die wich­tigs­te Ein­nah­me­quel­le des Staa­tes. Zwei­tens tra­gen sie, wenn sie höhe­re Ein­kom­men stär­ker belas­ten als nied­ri­ge (pro­gres­si­ve Steu­ern) zur Umver­tei­lung bei; und drit­tens kön­nen sie zur Len­kung in Rich­tung eines bestimm­ten Ver­hal­tens ein­ge­setzt wer­den (bspw. Tabak­steu­er für weni­ger Rau­chen; Umwelt­steu­ern für umwelt­freund­li­che­res Ver­hal­ten). Dabei sind der Steu­er­po­li­tik jedoch auf Grund der inter­na­tio­na­len Ver­flech­tun­gen Gren­zen gesetzt, d.h., Staa­ten kön­nen in einer glo­ba­li­sier­ten Welt nicht völ­lig frei über ihre Steu­er­po­li­tik ent­schei­den. So fin­det die Besteue­rung von Unter­neh­men ihre Gren­zen dort, wo mul­ti­na­tio­nal täti­ge Kon­zer­ne ihre Gewin­ne zwi­schen den Stand­or­ten ver­schie­ben kön­nen, und sie auf die­se Wei­se im Land mit den nied­rigs­ten Steu­ern anfal­len las­sen. Zusätz­lich kön­nen sie dem Staat mit gänz­li­cher Abwan­de­rung dro­hen (vgl. Kraus 2009). Finanz­ka­pi­tal, das nicht in Grund oder Immo­bi­li­en gebun­den ist, kann prak­tisch ohne Beschrän­kun­gen an den Ort der gerings­ten Steu­ern ver­scho­ben wer­den, sofern an die­sem Ort Eigen­tum geschützt und garan­tiert wird. Damit fin­det die natio­na­le Steu­er­po­li­tik ihre Gren­zen der Besteue­rung von Gewin­nen, höhe­ren Ein­kom­men und Ver­mö­gen dort, wo Steu­er­oa­sen „güns­ti­ge­re“ Bedin­gun­gen bie­ten. Weil in den Steu­er­oa­sen auch Trans­pa­renz weit­ge­hend fehlt, sind auch jene geschützt, die ihr Geld bereits erfolg­reich am hei­mi­schen Fis­kus vor­bei­ge­schum­melt oder gar durch kri­mi­nel­le Akti­vi­tä­ten erwor­ben haben. Damit miss­ach­ten Steu­er­oa­sen die Grund­sät­ze des Steu­er­rechts und unter­gra­ben die Finan­zie­rungs­ba­sis der Sozi­al­staa­ten. Es ist daher höchs­te Zeit, die­se Oasen aus­zu­trock­nen, zu den auch Öster­reich gehört.

Öster­reich – eine Steueroase?
Die Bun­des­re­gie­rung strei­tet es rund­her­aus ab, den­noch: Öster­reich ist eine Steu­er­oa­se und spielt dabei eine wich­ti­ge Rol­le bei der Ver­mei­dung von Steu­ern. Der Direk­tor des Netz­werks für Steu­er­ge­rech­tig­keit, John Chris­ten­sen, nennt im Kurier das Bank­ge­heim­nis und das Stif­tungs­recht als zen­tra­le Grün­de, war­um Öster­reich eine Steu­er­oa­se ist . Dem las­sen sich nied­ri­ge Kapi­tal- und Ver­mö­gens­steu­ern hin­zu­fü­gen (vgl. ATTAC Öster­reich o.J.). Die­se Kom­bi­na­ti­on macht Öster­reich für Steu­er­hin­ter­zie­her attrak­tiv. Das ist kein Ver­se­hen, son­dern „Stand­ort­po­li­tik“, die Anle­ge­rIn­nen nach Öster­reich locken soll. Das geht aber zu Las­ten ande­rer Staaten.

Unver­steu­er­tes Geld nach Österreich
In Öster­reich lie­gen Unsum­men an aus­län­di­schem Ver­mö­gen. Die­ses ist kaum auf Grund der höhe­ren Sicher­heit im Lan­de – Ban­ken in Deutsch­land oder Frank­reich bie­ten Ver­gleich­ba­res. Viel­mehr scheint das strik­te Bank­ge­heim­nis und die bis­he­ri­ge Wei­ge­rung Öster­reichs, in die­sem Bereich mit der EU zu koope­rie­ren, der Grund für das hohe Aus­lands­ver­mö­gen zu sein.
Das Bank­ge­heim­nis in öster­rei­chi­scher Stren­ge bedeu­tet, dass nur die Bank den/​die Kon­to­in­ha­be­rIn kennt. Die­se muss Infor­ma­tio­nen über Kun­dIn­nen und deren Ver­mö­gen nicht wei­ter­ge­ben – anders als in Deutsch­land, wo Behör­den Ein­sicht in die Kon­ten haben. Damit kön­nen die Anle­ge­rIn­nen prak­tisch anonym bleiben.
Mit der Ver­wei­ge­rung der Koope­ra­ti­on und Infor­ma­ti­ons­aus­tausch mit ande­ren Staa­ten erfüllt Öster­reich ein wei­te­res typi­sches Merk­mal einer Steu­er­oa­se. Die EU ver­sucht, mehr Trans­pa­renz und Fair­ness bei der Besteue­rung von Kapi­tal­erträ­gen zu schaf­fen. Dazu ist ein auto­ma­ti­scher Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen Staa­ten vor­ge­se­hen, wer im Aus­land wel­che Zins­ein­künf­te erzielt. Öster­reich ver­wei­gert das und hat sich ledig­lich dazu ver­pflich­tet eine Quel­len­steu­er auf die von Aus­län­de­rIn­nen erziel­ten Zins­ein­künf­te zu erheben.

Auch wenn das Bank­ge­heim­nis unter dem Druck ins­be­son­de­re Deutsch­lands etwas auf­ge­weicht wird, fehlt der öster­rei­chi­schen Poli­tik offen­sicht­lich jedes Unrechts­be­wusst­sein. Denn wem dient(e) das Bank­ge­heim­nis? Vor allem den­je­ni­gen, die unver­steu­er­tes Geld in Öster­reich geparkt haben. Damit hel­fen Steu­er­oa­sen – und eben auch Öster­reich – das zen­tra­le Besteue­rungs­prin­zip zu unter­lau­fen: „Die Steu­er­pflich­ti­gen sol­len dort besteu­ert wer­den, wo sie ihren tat­säch­li­chen Wohn­sitz haben. Durch ihre Anwe­sen­heit im Lan­de begrün­den sie ja auch erst einen Bedarf für öffent­li­che Leis­tun­gen, der über Steu­ern zu decken ist“ (Thie­le­mann 2009, S. 13). Durch die Wei­ge­rung eines Infor­ma­ti­ons­aus­tau­sches mit ande­ren Län­dern nimmt der Staat für sich aber fak­tisch in Anspruch, „Per­so­nen, die für ihn Steu­er­aus­län­der sind, von ihrer Steu­er­pflicht zu befrei­en“ (ebd.). Etwas direk­ter aus­ge­drückt: das Bank­ge­heim­nis ermög­licht es erst, ein­mal hin­ter­zo­ge­ne Steu­ern nie mehr zah­len zu müs­sen. Hier­für gibt es kei­ner­lei recht­li­che Grund­la­ge. Der häu­fig gemach­te Ver­weis auf die Per­sön­lich­keits­rech­te und den Daten­schutz dient ein­zig dem Schutz der inlän­di­schen Finanz­in­dus­trie. Schließ­lich sol­len die steu­er­li­chen Infor­ma­tio­nen nicht ver­öf­fent­licht son­dern ledig­lich den Finanz­be­hör­den zur Fest­set­zung einer Steu­er bekannt gege­ben wer­den – wie es heu­te bei jeder und jedem unselbst­stän­dig Erwerbs­tä­ti­gen völ­lig selbst­ver­ständ­lich pas­siert. Natür­lich kann es gute Grün­de geben, ganz regu­lär ver­steu­er­tes Geld in Öster­reich zu inves­tie­ren. Dann braucht es jedoch kein Bank­ge­heim­nis und dann gibt es auch kei­nen Grund, den Infor­ma­ti­ons­aus­tausch mit ande­ren Län­dern zu ver­wei­gern. Die EU hat Recht, wenn sie Öster­reich und ande­re Län­der nun mas­siv unter Druck setzt, den Aus­tausch zu gewähr­leis­ten. Steu­er­oa­sen wie Steu­er­flüch­ti­ge sind nichts ande­res als Tritt­brett­fah­rer. Die Steu­er­flücht­lin­ge neh­men zwar die öffent­li­chen, aus Steu­ern finan­zier­ten Leis­tun­gen, in Anspruch, tra­gen jedoch selbst nichts dazu bei. „[U]nd die Leis­tung der Steu­er­oa­se besteht ledig­lich dar­in, den fis­ka­li­schen Infor­ma­ti­ons­aus­tausch kon­se­quent zu ver­wei­gern und ihr Steu­er­sys­tem ent­spre­chend ein­zu­rich­ten“ (ebd., S. 15). Die Finanz­in­dus­trie freut sich und ver­dient daran.
Die Ver­tei­di­ge­rIn­nen der Geheim­nis­tue­rei ver­wei­sen an die­ser Stel­le ger­ne dar­auf, dass die Zins­ein­künf­te ja ohne­hin mit einer Quel­len­steu­er belegt sind. Bei Geld aus dem EU-Aus­land wird ein Teil die­ser Erträ­ge an die jewei­li­gen Her­kunfts­län­der abge­tre­ten. Das Argu­ment ist aber ein schwa­ches: Denn ers­tens wer­den nur die Zins­ein­künf­te besteu­ert. Ob das zu Grun­de lie­gen­de Ver­mö­gen regu­lär ver­steu­ert wur­de, bleibt außer Acht. Und zwei­tens wird damit ein­ge­stan­den, dass dem Wohn­sitz­land ein Besteue­rungs­recht zusteht. Dann aber ist es nur kon­se­quent, einen ent­spre­chen­den Aus­tausch der Infor­ma­tio­nen zu orga­ni­sie­ren und das Ver­fah­ren gleich­sam vom Kopf auf die Bei­ne zu stellen.

Erben ohne Erbschaftssteuer
Ein zwei­tes Merk­mal als Steu­er­oa­se fin­det sich in Öster­reich bei der extrem gerin­gen Besteue­rung von Ver­mö­gen und der Abschaf­fung der Steu­ern für Erb­schaf­ten und Schen­kun­gen. Schon vor der Abschaf­fung der Erb­schafts­steu­er nutz­ten vor allem ver­mö­gen­de Deut­sche das finan­zi­el­le „Aus­wan­dern“ nach Öster­reich zur „Steu­er­op­ti­mie­rung“. Mit der Abschaf­fung der Erb­schafts­steu­er könn­te das aller­dings Geschich­te sein, da die Bun­des­re­pu­blik kur­zer­hand das Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men gekün­digt hat, so dass Erb­schafts­fäl­le nach Deutsch­land wie­der dem deut­schen Recht unter­lie­gen. Ein guter Finanz­platz hat aber auch dafür eine Lösung: Der Focus zitiert hier­zu Gerald Toifl, Steu­er­ex­per­te der Salz­bur­ger Kanz­lei Leit­ner & Leit­ner, wie folgt: „Wer sein Ver­mö­gen in eine Pri­vat­stif­tung legt oder an eine sol­che Stif­tung ver­erbt, spart sei­nen deut­schen Erben auch künf­tig die Steu­er“ (zitiert nach Kusitz­ky 2007). Die Aus­sa­ge macht deut­lich, dass sich Öster­reich zu Las­ten ande­rer Volks­wirt­schaf­ten einen Vor­teil ver­schaf­fen will, indem es die­se Staa­ten um die ihnen eigent­lich zuste­hen­den Steu­ern bringt – Merk­ma­le einer Steu­er­oa­se eben. Kusitz­ky merkt übri­gens noch an: „Das Modell lohnt sich jedoch nicht für jeden. Zwei bis drei Mil­lio­nen Euro Kapi­tal soll­ten dafür schon vor­han­den sein.“


Ende der Steueroase?

Die EU hat in den ver­gan­ge­nen Mona­ten den Druck auf die euro­päi­schen Steu­er­oa­sen – vor allem die Schweiz, Liech­ten­stein, Öster­reich, Bel­gi­en und Andor­ra – erhöht und sub­stan­ti­el­le Ver­bes­se­run­gen ins­be­son­de­re beim Infor­ma­ti­ons­aus­tausch erreicht. Den­noch bleibt Skep­sis ange­bracht, da bspw. das Stif­tungs­recht oder die Pri­vat­stif­tun­gen als Gan­zes nicht zur Debat­te ste­hen. Fer­ner bleibt Öster­reich der Poli­tik des Steu­er­sen­kungs­wett­be­werbs bei der Unter­neh­mens­be­steue­rung treu und löst auch natio­nal die Pro­ble­me, die da Bank­ge­heim­nis schafft, nicht. So wer­den von jedem Lohn­steu­er­pflich­ti­gen selbst­ver­ständ­lich die steu­er­pflich­ti­gen Ein­kom­men durch den Arbeit­ge­ber an das Finanz­amt über­mit­telt. Ande­re Ein­künf­te kön­nen dank des Bank­ge­heim­nis­ses jedoch gut ver­bor­gen wer­den. Das ist ver­tei­lungs­po­li­tisch und aus Gerech­tig­keits­grün­den sowe­nig akzep­ta­bel wie der Ver­zicht auf eine ange­mes­se­ne Besteue­rung von Ver­mö­gen, Erb­schaf­ten und Schen­kun­gen. Die­se letz­ten Punk­te machen deut­lich, dass Öster­reich neben der Fra­ge der Steu­er­oa­se auch einer grund­le­gen­den Reform der Steu­er­po­li­tik im inne­ren benö­tigt. Es wird Zeit, dass die­se Erkennt­nis auch in der Regie­rung ankommt.

Lite­ra­tur
ATTAC Öster­reich (o.J.): 7 Grün­de war­um Öster­reich eine Steu­er­oa­se ist, URL: http://www.attac.at/7gruende (12.06.2009).

Him­pe­le, Kle­mens /​ Recht, Alex­an­der (2009): Mög­lich­kei­ten und Gren­zen von Steu­er­po­li­tik, in: PROKLA 154, S. 9–26.

Kusitz­ky, Alex­an­dra (2007): Öster­reich: Ende einer Steu­er­oa­se? Das Alpen­land ver­liert sei­nen Sta­tus als Erb­schaft­steu­er-Para­dies. Neue Schlupf­lö­cher sind aber schon gefun­den, in: Focus 37/​2007 und im Inter­net unter http://www.focus.de/finanzen/steuern/oesterreich-ende-einer-steueroase_aid_219844.html (12.06.2009).

Pirk­lbau­er, Sybil­le /​ Zieg­ler, Petra (2009): Unser steu­er­ge­rech­tes Euro­pa, in: Attac (Hg.): Wir bau­en Euro­pa neu – Wer baut mit? Alter­na­ti­ven für ein demo­kra­ti­sches, sozia­les, öko­lo­gi­sches und fried­li­ches Euro­pa, Wien

Kraus, Astrid (2009): Unter­neh­mens­be­steue­rung – gibt es natio­nal­staat­li­che Hand­lungs­spiel­räu­me?, in: PROKLA 154, S. 47–69.

Thie­le­mann, Ulrich (2009): Grund­sät­ze fai­ren Steu­er­wett­be­werbs im Lich­te der aktu­el­len Ent­wick­lung, in: Die Volks­wirt­schaft. Das Maga­zin für Wirt­schafts­po­li­tik 6–2009, S. 13–15.

Ein Kommentar:

  1. Klemens Himpele am 1.Juli 2009 um 22:27h

    Als Nach­trag:

    Der Spie­gel mel­det heu­te Online, dass es qua­si „extra“ Mün­zen zum Geld­trans­fer am Zoll vor­bei gibt. Passt gut zum The­ma. Der Arti­kel fin­det sich hier: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,633464,00.html


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