Rente – BEIGEWUM

Stichwort: Rente


Immer wieder: Die Rente

Mai. 11th 2009 — 23:15

Die Indi­vi­dua­li­sie­rung sozia­ler Risi­ken ist ein Merk­mal der Poli­tik der ver­gan­ge­nen Jah­re. Dazu gehört auch die (Teil-)Privatisierung der Alters­vor­sor­ge. Begrün­det wur­de und wird die­ser Schritt vor allem mit der demo­gra­fi­schen Ent­wick­lung. Zwar hat sich gera­de das pri­va­te Pen­si­ons­sys­tem in der der­zei­ti­gen Kri­se kräf­tig bla­miert und damit alle Kri­ti­ker bestä­tigt, zu glau­ben, damit sei das The­ma erle­digt, ist jedoch naiv. Dazu sind die Sum­men, um die es für die Finanz­wirt­schaft geht, schlicht zu hoch. Im Kurier wird der übli­chen und üblen Pro­pa­gan­da ein­mal mehr Platz gege­ben. Das Fazit des Kom­men­tars: „Nicht zuletzt ist die Eigen­in­itia­ti­ve gefragt: Wer sich allein auf das öffent­li­che Ren­ten­sys­tem des Jah­res 2030 oder 2040 ver­lässt, könn­te bit­ter ent­täuscht wer­den. Nun hat auch die pri­va­te Vor­sor­ge ihre Kos­ten und Fal­len. Doch nie­mand soll­te sich täu­schen las­sen: Die ›Ren­ten­ga­ran­tien‹ der heu­ti­gen Poli­ti­ker­ge­nera­ti­on gel­ten in 30 Jah­ren garan­tiert wenig.“ Aha. Pri­va­te Vor­sor­ge gegen die Demo­gra­fie, wenn­gleich mit „Kos­ten und Fal­len“.  Auch wenn es müh­sam ist sei­en an die­ser Stel­le noch ein­mal ein paar Fak­ten dargestellt:


  1. Die Ver­schie­bung der Bevöl­ke­rungs­struk­tur ist kei­nes­falls eine neue Ent­wick­lung. Die deut­sche Gewerk­schaft ver.di hat dies in einer Bro­schü­re schön dar­ge­stellt: „Vor über hun­dert Jah­ren kamen auf eine Per­son über 65 Jah­ren rund zwölf Erwerbs­fä­hi­ge. 2000 sind es gera­de noch vier“ (S. 8). Nach der Demo­gra­fie-Logik müss­te es einem Rent­ner bzw. einer Rent­ne­rin vor hun­dert Jah­ren dem­nach blen­dend gegan­gen sein. Tat­säch­lich ist der Wohl­stand heu­te aber erheb­lich höher. Die Fra­ge der Höhe der Alters­pen­sio­nen ist jeden­falls nicht line­ar von der Bevöl­ke­rungs­zu­sam­men­set­zung abzuleiten.

  2. Die Finan­zier­bar­keit der Alters­pen­sio­nen lei­tet sich viel­mehr von der volks­wirt­schaft­li­chen Wert­schöp­fung und deren Ver­tei­lung ab. Die Wert­schöp­fung wie­der­um hängt auch an der Anzahl der Beschäf­tig­ten, aber eben auch an der Fra­ge der Pro­duk­ti­vi­tät. Je höher die­se ist, des­to weni­ger Arbeits­kraft wird für den Erhalt des Wohl­stands­ni­veaus benötigt.

  3. Wie wer­den eigent­lich die Ren­di­ten der kapi­tal­ge­deck­ten Ren­ten erwirt­schaf­tet? Ver­mut­lich wird das Geld in eine Kis­te gesteckt, in die­ser Kis­te arbei­tet es dann ein paar Jah­re und man kann es zum Zeit­punkt der Pen­sio­nie­rung samt Zin­sen aus die­ser Kis­te her­aus­neh­men. Oder wie soll man das ver­ste­hen, dass das Geld für einen arbei­tet? Das ist natür­lich ziem­li­cher Quatsch, die Ren­di­te für kapi­tal­ge­deck­te Sys­te­me wird von der arbei­ten­den Bevöl­ke­rung erwirt­schaf­tet. Die­se unter­liegt jedoch der demo­gra­fi­schen Ver­än­de­rung genau­so wie die Ein­zah­le­rin­nen und Ein­zah­ler in das staat­li­che Sys­tem – schlicht, weil es um die­sel­be Popu­la­ti­on geht. Der ein­zi­ge Aus­weg aus die­sem Dilem­ma ist ein Ren­ten­im­pe­ria­lis­mus: Man kann das Geld im Aus­land „für sich arbei­ten las­sen“ – bzw. die dor­ti­gen Arbeits­kräf­te. Das ist jedoch eine ande­re Debatte.

Wenn nun die kapi­tal­ge­deck­te wie auch die umla­ge­fi­nan­zier­te Ren­te von der demo­gra­fi­schen Ent­wick­lung tan­giert wird, was bedeu­tet das für die Sicher­heit der Ren­ten? Hat der Kurier doch recht mit sei­ner Skep­sis? Um die Ant­wort vor­weg­zu­neh­men: Hat er nicht. Die Fra­ge der Höhe der staat­li­chen Alters­pen­sio­nen ist eine Fra­ge der Ver­tei­lung. Neh­men wir an, die Wirt­schaft wächst in Zukunft pro Jahr im Schnitt um ledig­lich 1%. Bei gleich­blei­ben­der Ver­tei­lung haben dann alle 1% mehr: Die Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer, die Sozi­al­leis­tungs­be­zie­he­rin­nen und –bezie­her, die Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer und der Staat. Damit das BIP bei sin­ken­der Zahl der Arbei­ten­den tat­säch­lich steigt muss die Pro­duk­ti­vi­tät erhöht wer­den. Die ent­spricht der his­to­ri­schen Ent­wick­lung der Ver­gan­gen­heit: Trotz sin­ken­der Arbeits­zeit stieg der volks­wirt­schaft­li­che Reich­tum. Poli­tisch wäre dem­nach „nur“ zu ent­schei­den, dass die Pro­duk­ti­vi­täts­zu­wäch­se nicht voll­stän­dig den Unter­neh­mern und den Arbeit­neh­mern zur Ver­fü­gung ste­hen, son­dern eben auch dem Ren­ten- und Sozi­al­sys­tem.  Da Pro­blem ist also nicht das umla­ge­fi­nan­zier­te Sys­tem, son­dern die Rentenpolitik.


In der Aus­ein­an­der­set­zung geht es um viel Geld für die Finanz­wirt­schaft. Des­halb ist die Pro­pa­gan­da gegen das staat­li­che Umla­ge­sys­tem auch so aus­dau­ernd. Dabei wird auch ger­ne die Tat­sa­che ver­schwie­gen, dass die Mil­li­ar­den Euro in den Pen­si­ons­fonds, die Ren­di­te erwirt­schaf­ten sol­len, mit­ver­ant­wort­lich sind für die Bla­sen­öko­no­mie der Vergangenheit.

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