There and back again? Kontinuitäten und Konflikte in der EU-Klimapolitik nach der Europawahl 2024
„I don’t think that we’ll be rolling back on (climate) policies. But I do think that it will be more complicated to get new policies off the ground“, so Bas Eickhout, neuer Ko-Fraktions vorsitzender der Europäischen Grünen am Tag nach den Wahlen zum Europäischen Parlament (EP). Auch wenn diese Formulierung nicht besonders hoffnungsvoll klingen mag, dürfte die Einschätzung, dass formal politisch keine großen Rückschritte in Sachen Klimaschutzpolitik zu erwarten sind, realistisch sein. Diese sind Teil des acquis communautaire, des gemeinsamen Rechtsbestandes und damit für die EU und ihre Mitgliedstaaten verbindlich. Einiges wurde aber auch schon wieder rückgängig gemacht – so haben die Bauernproteste zu einer Abschwächung der Umweltschutzstandards in der Gemeinsamen Agrarpolitik geführt. Anderes wurde entgegen großen Widerständen doch noch beschlossen – so die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (,,EU-Renatuierungsgesetz“), für die sich nach dem Trilog zeitweise keine Mehrheit im Rat abgezeichnet hat und die nur mit der Stimme der österreichischen Umweltministerin Leonore Gewessler die notwendige qualifizierte Mehrheit fand – und in Österreich zu einer Koalitionskrise, Vorwürfen des Rechts- und Verfassungsbruches, einer Nichtigkeitsklage durch einen Teil der Bundesregierung und einer Anzeige wegen Amtsmiss brauch der ÖVP gegen die Ministerin geführt hat.
Davon abgesehen wurde in diesem Bereich viel erreicht, viele Pflöcke wurden ein geschlagen. Neue Climate Policies sind hingegen nicht zu erwarten, obwohl pro-europäische, prinzipiell konstruktive (konservativ-liberal-sozialdemokratisch-grüne) Mehrheiten dafür auch im neuen EP vorhanden wären. Die informelle Koalition, die die Staats- und Regierungschef:innen bilden, um eine parlamentarische Mehrheit für Ursu la von der Leyen als Kommissionspräsidentin (und Antónia Corta als Ratspräsident sowie Kaja Kallas als Außenbeauftragte) zu bestimmen, kommt (erneut) ohne die Grünen aus. Der EP-Wahlkampf 2024 der Konservativen war vielmehr von Forderungen nach mehr Wettbewerbsfähigkeit durch weniger Bürokratie geprägt, wobei Klimaschutz in sich widersprüchlich als auch im auffälligen Widerspruch zur bisherigen, von der EVP maßgeblich mitbestimmten Politik von Kommission und EP sowohl als Wettbewerbsfaktor ( unter der Prämisse der Technologieoffenheit) als auch bürokratisch, ins besondere die Landwirtschaft, die Ernährungssicherheit und die internationale Position der europäischen Industrie belastend präsentiert wurden. Von Konservativen wie von Rechten wird Klimaschutz als Kostenfaktor, als zunehmend teure Verbotspolitik präsentiert, von den Rechten bisweilen auch als Politik der Bestrafung. Die Reform des Emissionshandels wurde von französischen Abgeordneten der rechtsextremen Identität und Demokratie (ID) etwa als „Strafökologie“ (Vogel 2024) abgelehnt.
Klimaschutz war nach der Klimawahl 2019, nach Corona-Pandemie, Energiekrise und einer veränderten geopolitischen Situation aufgrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und des Kriegs im Gazastreifen wieder ein wichtiges Wahlmotiv, wenn auch hinter Themen wie Armut, öffentliche Gesundheit, Wirtschaft und Arbeitsplätze, Verteidigung und Sicherheit, aber vor Einwanderung und Asyl (Feore 2024). Weitere Verschiebungen, Widersprüche und Konflikte in der politischen Prioritätensetzung, der Bewertung und Umsetzung des Erreichten sind also zu erwarten, ebenso deren Verschärfung insbesondere auf nationaler Ebene.
Blick zurück: Umwelt- und Klimapolitik der Union
Erst seit der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 ist Umweltpolitik überhaupt ein Handlungsfeld der EWG, die nachfolgenden Verträge (Maastricht 1993, Amsterdam 1999) erweitern die Kompetenzen der EU in diesem Bereich. Mit dem Vertrag von Lissabon wurden Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung zu Vertragszielen. Bei europäischem Umweltschutz geht es vorrangig um grenzüberschreitende Umweltprobleme wie Verschmutzung und Zerstörung von Lebensräumen, von Ökosystemen wie Wäldern und Seen, schlechter Luftqualität, saurem Regen usw. Um Klimaschutz ging es dabei nur indirekt. Erst in der letzten Legislaturperiode (2019-2024) wurde das Klima direkt in das Zentrum europäischer Gesetzgebung gerückt – ein Ergebnis der „Klimawahl“ 2019, im Zuge derer nicht nur die europäischen Grünen gestärkt, sondern auch die europäische Sozialdemokratie und Volkspartei Nachhaltigkeit und Klimaschutz – jeweils verknüpft mit eigenen Anliegen, auf der einen Seite Arbeitsplätze der Zukunft und Just Transition, auf der andere Seite Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit – pro grammatisch wie rhetorisch in den Vordergrund rückten.
Als Europäischer Green Deal wurde Klimaschutz in Ziele, Initiativen und Rechtsakte gegossen. Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden, wie Ursula von der Leyen nur wenige Tage nach ihrem Amtsantritt als Kommissionspräsidentin in einer Rede im EP als programmatisches wirtschaftspolitisches Ziel ausgab: ,,Der europäische Grüne Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie – für ein Wachstum, das uns mehr bringt als es uns kostet. Er zeigt, wie wir unsere Art zu leben und zu arbeiten, zu produzieren und zu konsumieren ändern müssen, um gesünder zu leben und unsere Unternehmen innovationsfähig zu machen.“ (Europäische Kommission 2019a)
Ähnliches findet sich im Mandatsbrief an Frans Timmermans, der bis 2023 EU-Kommissar für Klimaschutz war, sowie konkrete Aufträge für die ersten 100 Tage im Amt, die in weiten Teilen auch umgesetzt wurden (Europäische Kommission 2019b). Zuvorderst sind hier die im sogenannten Europäischen Klimagesetz festgelegten, ambitionierten Ziele für die Jahre 2030 (Reduktion der C02-Emissionen um 55 Prozent gegen über 1990) und 2050 (Klimaneutralität) zu nennen. Das Ziel einer Emissionsreduktion bis 2040 um 90 Prozent wurde im Februar 2024 von Seiten der Kommission auf Basis wissenschaftlicher Empfehlungen des Europäischen Beirats für Klimawandel als weitere Zwischenmarke vorgeschlagen.
Durch das Paket „Fit for 55″ wurden zahlreiche Rechtsvorschriften geändert und Begleitmaßnahmen gesetzt – von der Reform des Emissionshandelssystems, der Einführung eines CO2-Grenzausgleichsystems, eines Klimasozialfonds bis zur Dekarbonisierung in verschiedenen Sektoren (Gebäude, Landnutzung, Verkehr). Besonders hervor zuheben ist die europäische Industriepolitik, in der durch den grünen Industrieplan eine sich schon länger abzeichnende grundlegende Veränderung in Richtung eines aktiven Ansatzes einen ersten Abschluss fand. Durch eine eigene Netto-Null-Industrieverordnung wurden konkrete Ziele zum Kapazitätsaufbau in der Herstellung von sauberen und nachhaltigen Technologien und Produktionskapazitäten sowie durch eine Flexibilisierung und Ökologisierung des Beihilfenrechts wesentlich mehr Möglichkeiten für selektive Förderungen geschaffen, teilweise auch für Marktkreation. Auch in der Energiepolitik wurden auf europäischer Ebene viele Pflöcke eingeschlagen: Es gibt mehr Vorgaben für Energieeffizienz und mit der Europäischen Wasserstoffbank wurde eine Förderinstitution für den Hochlauf des europäischen Wasserstoffmarktes geschaffen – ein Umstand, der für bestimmte Industriezweige und für das Energiesystem von großer Bedeutung ist. Gleichzeitig wurde mit dem Gasbinnenmarktpaket die Grundlage für eine neue Gas- und Wasserstoffnetzregulierung geschaffen. Mit der neu en Renewable Energy Directive III soll ein deutlich beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion und der dafür nötigen Netze ermöglicht werden.
Umsetzungskonflikte als Kern der Widerstände
Zusammenfassend kann man also sagen, dass es klimapolitisch durchaus viele positive Entwicklungen gegeben hat. Sieht man sich Studien dazu an, wie Menschen zur Klimakrise stehen, dann müssten die Wahlen eigentlich im Sinne von noch mehr Klimapolitik ausgegangen sein. Eine im Februar veröffentlichte Studie zeigt, dass in Österreich über 82 Prozent die Erderwärmung als große gesellschaftliche Bedrohung sehen, global sind es 86 Prozent (Vasceanu et al. 2024). Dennoch haben die Grünen Stimmen verloren, man hat den Eindruck, dass die Zeit der Klimawahlen vorbei ist, auch wenn die Folgen der Klimakrise präsenter und spürbarer werden. Damit stellt sich die Frage danach, wie diese Divergenz zu erklären ist. Vorweg sei hier der triviale Umstand erwähnt, dass es sich bei Wahlentscheidungen immer um komplexe Entscheidungen handelt und Wähler:innen nun einmal nicht nur anhand eines Themas ihre Wahlentscheidung treffen. Das jahrelange Agenda-Setting der europäischen Rechten spielt hier klarerweise eine wichtige Rolle. Doch auch die Klimapolitik selbst kann als Erklärung für ihren eigenen drohenden Niedergang dienen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass Klimapolitik tief in unser aller Leben eingreift. Verhaltensänderungen sollen herbeigeführt werden, Produktionsprozesse umgestellt und Strukturen verändert werden. Das hat ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen in Europa und macht Klimapolitik in erster Linie zu einer sozialen Herausforderung. Denn erstens zeigt sich hier das Problem einer zeitlichen Divergenz zwischen den heute gesetzten klimapolitischen Maßnahmen und dem in der Zukunft liegenden Nutzen erfolgreicher Klimapolitik, der in halbwegs intakten Lebensräumen liegt. Der Umstand, dass der Erfolg in einer nicht eingetretenen voll ausgewachsenen Klimakatastrophe liegt, macht die Situation nicht einfacher – oder: there is no glory in prevention. Wir wissen dann gar nicht, welches Unheil wir abgewendet haben und können damit auch schwer begreifen, welchen Nutzen uns Klimapolitik gebracht hat.
Zweitens bringt Klimapolitik Umsetzungskonflikte mit sich. Denn während das Ziel, die Treibhausgasemissionen zu verringern, klar ist, gibt es viele unterschiedliche Wege auf dem Weg dorthin, die mit einer unterschiedlichen Verteilung an Lasten aber auch an Benefits einhergehen. Lasten entstehen dabei durch den klimapolitisch gewünschten Anpassungsdruck. Je nach klimapolitischer Maßnahme ist dieser unterschiedlich stark ausgeprägt. Zahlreiche Studien zur Verteilungswirkung von C02-Steuern zeigen etwa, dass diese regressiv wirken, und damit ärmere Menschen relativ zu ihrem Einkommen betrachtet stärker belasten als reichere Menschen. Dazu kommt, dass unterschiedliche Gruppen in unterschiedlichen Regionen in unterschiedlichem Maße auf diesen Druck reagieren können: In der Stadt lebende Menschen können eher auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen als dies in ländlichen Gebieten der Fall ist. Mieter:innen können ihre Heizung nicht so leicht tauschen wie Menschen, die in ihrem Eigenheim leben. Während die einen unter der Hitze in Großstädten leiden, sind andere von Überschwemmungen oder Dürren auf dem Land betroffen.
Neben dem Anpassungsdruck macht sich aber auch zunehmend die Finanzierungsfrage bemerkbar. Denn der Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion und der Strom netze, die Umstellung von Produktionsprozessen, Sanierungen und Heizungstausch und viele andere Vorhaben bringen riesige Investitionserfordernisse in einer vergleichsweise kurzen Zeit mit sich. Damit stellt sich unweigerlich die Frage, wer in welchem Ausmaß an der Finanzierung dieser Maßnahmen beteiligt werden wird. Auf der anderen Seite sind aber auch die klimapolitischen Benefits ungleich verteilt. Wenn etwa Förderungen für E-Autos oder Photovoltaikanlagen aufgesetzt werden, dann profitieren davon oft andere Menschen als jene, die in den Genuss eines Ausbaus der öffentlichen Verkehrsmittel kommen. Dieser Umstand wird insbesondere auch auf Unternehmens ebene sichtbar. Denn Branchen, die aktiv an der Transformation partizipieren – etwa, weil sie Schlüsseltechnologien für die Energiewende produzieren – können neue Geschäftsfelder erschließen, während andere Branchen einen Zusammenbruch ihrer Geschäftsfelder sehen.
Damit zeigt sich, dass die oben angesprochenen Umsetzungskonflikte aus der konkreten Ausgestaltung klimapolitischer Maßnahmen resultieren. Damit ist eine Zunahme der Umsetzungskonflikte vorprogrammiert. Denn die zahlreichen europäischen Rechtsakte der letzten Jahre müssen nun in nationale Maßnahmen überführt und wirksam werden und dort, wo Maßnahmen schon umgesetzt werden, treten Umsetzungslücken, -defizite und -konflikte schon auf (Aykut et al. 2024).
Für die progressiven Kräfte in Europa sind diese Umsetzungskonflikte sowohl Herausforderung als auch Chance. Denn einerseits werden sie zu noch größeren Verwerfungen führen, die von rechten Parteien instrumentalisiert werden können und unter Umständen zu einem Rückbau der späten, aber gerade noch rechtzeitigen europäischen klimapolitischen Errungenschaften führen könnten. Andererseits können diese Umsetzungskonflikte aber auch positiv genutzt werden. Denn erstens offenbaren Umsetzungskonflikte auch, dass der Status Quo für viele Gruppen bereits belastend ist. So hat die Energiekrise gezeigt, wie verwundbar die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern macht und welche Lasten mit den vorhandenen Strukturen – wie einer fehlenden öffentlicher Verkehrsinfrastruktur in ländlichen Gebieten – einher gehen. Mit Klimapolitik kann damit auch ein positiveres Bild von der Zukunft gezeichnet werden. Zweitens kann die Akzeptanz von Klimapolitik durch die Lösung dieser Umsetzungskonflikte gesteigert werden. Dazu muss Klimapolitik auf eine faire Verteilung der Lasten aber auch der Benefits achten. Sie muss es möglichst vielen Menschen ermöglichen, an der Transformation zu partizipieren. Auf EU-Ebene wurden hier an manchen Stellen bereits Möglichkeiten geschaffen. Die Reform der Strombinnenmarkt-Richtlinie sieht etwa vor, dass Energiegemeinschaften künftig insbesondere auch für energiearme Haus halte offenstehen müssen. An anderen Stellen müssen diese Möglichkeiten aber erst national geschaffen werden.
Gleichzeitig war auch bei der Wahl zum EP die Klimakrise ein wichtiges Wahlmotiv: Für 27 Prozent der EU-Bürger:innen war Klimaschutz ein vorrangiges Thema (Feore 2024) – also für weit mehr als das Wahlergebnis der Grünen vermuten ließe (7,5 Prozent). Das scheint auf den ersten Blick wie ein Widerspruch, ist aber dennoch erklärbar. Denn abgesehen von der Präferenzreihung der Themen – Klima ist ja nicht das einzige Thema – zeigt eine breite Studienlage, dass Klimapolitik dann Unterstützung erfahrt, wenn sie sozial ausgewogen ist. Dazu kommt, dass lange Zeit eher auf Push-Maßnahmen gesetzt wurde. Die haben aber weniger Zustimmung als Pull-Maßnahmen. Das zeigt sich am Beispiel Emissionshandel: Diesen gibt es schon seit rund 20 Jahren, während eine aktivere Klimapolitik eigentlich erst jetzt in den letzten Jahren Einzug gehalten hat. Viel davon bekommen die Leute auch noch gar nicht mit. Das Kapital hingegen hat die Transformation für sich entdeckt. Da geht es längst nicht mehr darum, dass man gegen die Transformation wäre. Die Transformation ist aber selbst eine Verteilungsfrage. Wer zahlt denn zum Beispiel für den Ausbau der Erneuerbaren, der Net ze und sonstige Infrastrukturen? Wer profitiert davon? Wer muss sein/ihr Verhalten ändern, ,,inwiefern tragen etwa nachhaltige Konsummuster oder Klimapläne von Unter nehmen dazu bei, Emissionen zu senken?“ (Aykut et al. 2024, 18) Und wer übernimmt die Verantwortung? – auch für „die Ausbildung einer Gesellschaft der Klimawende, die Vollzugsdefizite identifiziert und verringert, und die demokratische Umsetzung der Klimawende auch gegen Widerstände und Rückschläge gewährleistet“ (ebd.).
Resümee
Zentrale klimaschutzpolitische Ziele und Maßnahmen sind beschlossen. Eben auf der Ebene der konkreten Umsetzung – das heißt überwiegend auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Menschen in ihren Arbeits- und Lebensverhältnissen – entscheidet sich daher auch das Schicksal der ökologischen Politik der EU. Die Widerstände gegen Klimapolitik aus Beharren auf den Status Qua (oder auch den Status ex ante) beruhen dabei nicht selten auf der Annahme, dass dieser in einer nicht näher definierten Form besser ist (war). Es werden die Nachteile einer zu spät realisierten Klimaschutzpolitik spürbar, die Folgen der Klimakrise ebenfalls, die Vorteile indes (noch) nicht. Zugleich versuchen Rechte im Kampf gegen progressive ökologische Politik „materielle Verlust ängste und kulturelle Beharrungskräfte auszubeuten“ (Vogel 2024). Sie waren damit teilweise erfolgreich, blickt man nach Frankreich, wo Emmanuel Macron nach dem Wahlerfolg des Rassemblement National Neuwahlen ausgerufen hat; in Deutschland mussten Sozialdemokratie und Grüne empfindliche Verluste einstecken.
Dennoch sind die pro-europäischen, sich überwiegend demokratisch und konstruktiv verhaltenden Kräfte deutlich in der Mehrheit geblieben – es sieht nicht so aus als würde sich die politische Agenda der EU grundlegend verändern, wenngleich rhetorisch anderes in den Vordergrund gestellt wird: ,,ein freies und demokratisches Europa“, ,,ein starkes und sicheres Europa und „ein wohlhabendes und wettbewerbsfähiges Europa'“ wie es in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 27. und 28. Juni heißt, die auch die Strategische Agenda 2024-2029 beinhalten (Europäischer Rat 2024). 2019- 2024 war die ,,Verwirklichung eines klimaneutralen, grünen, fairen und sozialen Europas“ eine der vier Hauptprioritäten (Europäischer Rat 2019), doch nach wie vor habe die „Bekämpfung des Klimawandels“ das Ziel der „Klimaneutralität 2050″ und „eine faire und gerechte Klimawende“ ihren Platz, wie sich den aktuellen Dokumenten entnehmen lässt. All dies spricht mehr für Kontinuität denn für Kurskorrektur oder gar einen „ökologischen Backlash“ (Vogel 2024).
Spät aber doch hat Ökologie und Klimaschutz in der zurückliegenden Legislatur an Dynamik, Kontur und Verbindlichkeit gewonnen hat. Der Green Deal der EU wurde in der zurückliegenden Legislatur nicht nur von den Progressiven, sondern auch von den europäischen Konservativen vorangetrieben, er war sogar das Herzstück des Arbeitsprogramms von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ein Programm zur umfassenden Modernisierung und Transformation der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft. Er wird es bleiben, wenn auch unter anderen Vorzeichen und unter Bedingungen zunehmender Konflikte in der konkreten Realisierung.
Literatur
Aykut, S., Hüppauff, L., Frerichs L., Fünfgeld A., Walter, Y., Aguirre, F., Mollyk, A., Ritterbach, L., Hildebrandt, F. 2024. Klimawende Ausblick 2024. Gesellschaftliche Treiber der Transformation in Deutschland. Band r. Klimapolitik, Klimabewegung und Klimaklagen. Universität Hamburg. https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/professuren/aykut/klimawende-ausblick/klimawende-ausblick-2024-web-neu-1.pdf (30.6.2024).
Europäische Kommission. 2019a. Speech by President von der Leyen in the Plenary of the European Parliament at the debate on the European Green, 11.12.2019h.t tps://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/speech_19_6751. Übersetzung: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/europa-aktuell/von-der-leyensgreen-deal-fuer-europa.html (30.6.2024).
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Feore, C. 2024. Europawahl: Armut und Gesundheit Top-Themen für Wähler. übersetzt von Jeremias Lin. Euractiv. https://www.euractiv.de/section/gesundheit/news/europawahl-armut-und-gesundheit-top-themen-fuerwaehler/ (30.6.2024).
Europäischer Rat. 2019. Eine neue Strategische Agenda 2019-2024. https://www.consilium.europa.eu/media/39963ia-new-strategic-agenda-2o19-2o24-de.pdf (30.6.2024).
Europäischer Rat. 2024. Tagung des Europäischen Rates (27. und 28.Juni 2024) – Schlussfolgerungen und Strategische Agenda 2024-2029. https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/EU/190883iimfname_n39o627.pdf (30.6.2024).
Vasceanu, M., Doell, K. C., Bak-Coleman,J. B., Todorova, B., & van Schie, K. 2024. Addressing climate change with behavioral science: A global intervention tournament in 63 countries. Science Advances, IO (6), https://www.science.org/doi/10.n26/sciadv.adj5778 (30.6.2024).
Vogel, S. 2024. Europawahl: Mit rechts gegen den Klimaschutz. Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2024. https://www.blaetter.de/ausgabeho24/juni/europawahl-mit-rechts-gegen-den-klimaschutz (30.6.2024).