Trumps Handelspolitik in der zweiten Runde - Veränderungen und Kontinuitäten
Einleitung
Nach dem Wahltag im November herrschte in vielen liberalen Kreisen in den USA betretenes Schweigen. Den erneuten Sieg von Donald Trump hatten zwar einige befürchtet, wie eindeutig der Republikaner jedoch gewann, war für viele doch ein Schock. Trump, der im Oktober in der einzigen öffentlichen Debatte mit seiner Kontrahentin Kamala Harris vor Migrant:innen warnte, die „Hunde und Katzen essen würden‘: schockiert und polarisiert. Doch so nationalistisch und gefährlich Trumps politische Vorstellungen sind, waren seine handels- und geopolitischen Vorhaben in der ersten Präsidentschaft vor allem untypisch für die etablierte Politik der Republikaner und stellten – zumindest auf den ersten Blick – eine Abkehr von der zuvor lange etablierten geopolitischen Strategie der USA dar. So war einer der ersten Schritte, die Trump setzte, die Aufündigung der Transpacific Partnership (TTIP), ein Abkommen, das zuvor auch von progressiven Kräften intensiv kritisiert wurde. Die Präsidentschaft Trumps wurde daraufhin als eine Art Ende der liberalen Weltordnung, ja sogar ein „Ende der Globalisierung“ bezeichnet.
In den letzten vier Jahren, auf die mit Biden wieder ein demokratischer Präsident auf Trump folgte, änderten sich die politischen Herausforderungen rasant. Die Biden Regierung musste – abgesehen von der ersten Welle – mit den Folgen der Covid-Pandemie kämpfen und war mit den höchsten Inflationsraten seit den 197oern konfrontiert. Auch sah sie sich einer Situation gegenüber, in der mit dem Krieg in der Ukraine und in Gaza gleich zwei neue Kriege, in denen die USA zumindest indirekt involviert sind, geführt werden. Doch während Biden rhetorisch stark von Trump abwich, lassen sich in den geopolitischen und vor allem handelspolitischen Vorhaben auch einige Kontinuitäten erkennen. Biden behielt viele der unter Trump etablierten Zölle bei, und die Parallelen sind – wenngleich die Industriepolitik einen sozialdemokratischeren und weniger nationalistischen Anstrich hatte als zuvor unter Trump – oft größer als die Abweichungen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was sich ab 2025 mit der zweite Regierungsperiode Trumps geo- und handelspolitisch wieder verändern wird und wie sich das nach den letzten acht Jahren verstehen lässt. Ich argumentiere, dass sich sowohl Trumps erste Präsidentschaft als auch die Jahre der „Bidenomics“ danach als Fortführung einer pragmatischen Reaktion auf die gefährdete Vormachtstellung der USA verstehen lassen. Vor diesem Hintergrund lässt sich erwarten, dass die nächsten vier Jahre von ähnlichen geopolitischen Strategien geprägt sein werden. Trotz der Absurdität Trumps lässt sich sein Erfolg nicht als ein exotisches Einzelphänomen verstehen, sondern im Kontext der geopolitischen Spannungen um die Hegemonie der USA, die mit unter schiedlichen Strategien verteidigt wird.
Ein Blick zurück: Handelspolitik unter Trump I
Knapp vier Jahre nach dem Ende der ersten Präsidentschaft unter Trump lässt sich nicht nur ein klares Fazit über seine damaligen Vorhaben, sondern auch über deren Effekte ziehen. Trumps offen ausgesprochenes Motto war „America first‘: Nachdem die USA seit Ende des Zweiten Weltkriegs primär die Liberalisierung des Welthandels voran getrieben hatten (Scherrer 1999), stellte Trump sowohl rhetorisch als auch in seinen Handlungen eine Abkehr davon dar. Dabei dürfen jedoch protektionistische Maßnahmen nicht als ein Trump’scher Sonderweg verstanden werden. In den letzten Jahrzehnten verhängten zahlreiche US-Präsidenten, so auch Barack Obama, hohe Zölle im ersten Jahr ihrer Amtszeit (Amiti et al. 2019). Unter Trump ließ sich jedoch eine Zuspitzung erkennen.
Besonders deutlich war das in der Chinapolitik Trumps (Scherrer 2019). Diese be zeichnete Christoph Scherrer als eine direkte Konfrontation statt der Umzingelungsstrategie, die gemeinsam mit anderen Staaten durch die Transpazifische Partnerschaft geplant war. Unter Trump verhängten die USA hohe Importzölle auf chinesische Im porte, die er mit „unlauteren Handelspraktiken“ Chinas begründete und an der Welthandelsorganisation vorbei beschloss. China antwortete ab 2018 mit Gegenmaßnahmen und verhängte ebenfalls Zölle auf amerikanische Importe (Berenberg-Gossler et al. 2020).
Aber auch auf anderen Gebieten der Handelspolitik schlug Trump neue Töne an. Während mit dem Ende der Transpazifischen Partnerschaft multilaterale Handelsabkommen geschwächt wurden, unterzeichnete er mit dem United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA), eine Neuauflage des Nachfolgers von NAFTA, sowie Freihandels abkommen mit Japan und Südkorea. Dass NAFTA neu verhandelt wurde, lag aber dar an, dass Trump sich Verbesserungen für die USA versprach, die zumindest am Papier in geringen Ausmaßen auch erzielt werden konnten. Auf Ebene der WTO folge er Obama darin, die Nachbesetzung von neuen Richtern für das Schiedsgerichtsverfahren zu blockieren, was die WTO de facto handlungsunfähig machte (Johnson 2019).
Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Chinapolitik Trumps den Interessen der amerikanischen Wähler:innen entsprochen hat und beliebt war, auch wenn sie ökonomisch im klassischen Sinne nicht erfolgreich war. Amiti et al. (2019) zeigen etwa, dass die Zölle Trumps in Kombination mit den Vergeltungsmaßnahmen, die als Antwort darauf folgten, negative ökonomische Konsequenzen für die amerika nischen Konsument:innen hatten. Außerdem konnten Firmen in den USA ihre Profitmargen erhöhen, was die Preise weiters in die Höhe trieb. Die von Trump erwünschte Konsequenz, dass die Zölle dazu führen würden, dass höhere Kosten für Importeure entstehen, war nach dieser Analyse der Inzidenz sichtlich nicht der Haupteffekt. Wirksam waren die Zölle jedoch in der Hinsicht, dass die USA tatsächlich weniger aus China, dafür aber mehr aus Mexiko importierten (NZZ 2024).
Gleichzeitig bewahrheitete sich aber die Analyse, dass die handelspolitische Strategie Trumps breite Zustimmung in der Bevölkerung fand. Eine regionale Analyse zeigte, dass Einwohner:innen von Gebieten, die direkt mit den Importzöllen konfrontiert waren, eher dazu tendierten, bei der Wahl 2020 für Trump zu votieren. Dies geschah, ohne dass die Zölle eine merklich positive Auswirkung auf Arbeitsplätze in den jeweiligen Regionen hatten. Trumps Politik war sichtlich beliebt – auch unter Wähler:innen, die sich zuvor eher als Demokrat:innen verstanden haben (Autor et al. 2024). Im Rückblick zeigt sich somit ein Paradox. Die Sorge amerikanischer Arbeiter:innen, durch chinesische Importe negativ betroffen zu sein, ist aus der Literatur zum „China Shock“ als nicht unbegründet belegt (Autor et al. 2016). Gleichzeitig hatten Trumps Vergeltungsmaß nahmen keinen positiven Einfluss auf die Arbeitsplätze oder Einkommen der betroffenen Amerikaner und Amerikanerinnen. Erkennbar wurde aber alleine Trumps Bekenntnis, härter gegen China vorzugehen, von den Wähler:innen belohnt.
Kontinuität oder Bruch – was war „Bidenomics“?
Die Regierung unter dem demokratischen Präsidenten Joe Biden hat die Zölle aus der Trump-Zeit weitgehend beibehalten – ohne jedoch den Konflikt mit China noch weiter zu eskalieren. Das schließt an die Analysen an, dass, wenngleich faktisch keine Gewinne erzielt wurden, der „harte Kurs“ gegen China beliebt ist (Hosp 2024). Hinsichtlich inter nationaler Kooperationen ging Biden deutlich strategischer vor, der Ton mit Europa oder nordamerikanischen Verbündeten war weniger angespannt als unter Trump. Doch gegenüber China wurden die gleichen Ziele verfolgt, und Bidens Regierung versuchte, Chinas Einfluss zurückzudrängen. So wurde, technisch gesprochen, eine Politik des
„Deriskings“ anstelle eines „Decouplings“ gefahren. Das bedeutet, dass der Handel mit China sehr viel strategischer eingeschränkt und etwa in technologisch relevanten Be reichen Unabhängigkeit geschaffen werden soll. So setzte Biden etwa auf Exportkontrollen im Hochtechnologiebereich (Tolksdorf 2024).
Auch fällt mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine die Rhetorik des „Friendshoring“ in Bidens Amtszeit. Diesen Begriff verwendete Bidens Finanzministerin Janet Yellen im Frühjahr 2022 als Strategie, Handel mit strategisch wichtigen Gütern vorrangig mit geopolitisch „befreundeten“ Staaten zu führen. Auch das fügt sich in das Bild ein, ähnliche Ziele mit etwas gemäßigteren Mitteln zu verfolgen. Dass Biden keine totale Kehrtwende zu Trump hinlegte, zeigt sich auch am Zugang zur WTO. Weniger offensiv als Trump, aber mit ähnlichem Ergebnis, lieferte Biden keine Schritte hin zu einer WTO-Reform, die die Schiedsgerichtsverfahren wieder aktivieren könnte.
Unter Biden gewann außerdem die Industriepolitik Vorrang gegenüber der Handelspolitik in der Frage, wie die USA wieder eine dominante Rolle in der Industrie erlangen sollten. Das ist schlüssig, wenn man der Analyse folgt, dass Globalisierung und Deindustrialisierung manchen Segmenten der amerikanischen Arbeiter:innenklasse tatsächlich geschadet haben, aber auch aus der Perspektive der internationalen Konkurrenz zu verstehen. So beinhalteten sie Förderungen, die es etwa durch den Inflation Reduction Act gab. Damit verband Biden die anti-chinesische Stimmung und den Fokus auf „America First“ mit einer Politik, die zumindest rhetorisch die Ziele verfolgt, gute Arbeitsplätze zu schaffen und den deindustrialisierten Regionen Aufschwung zu verschaffen. Inwiefern diese Ziele erreicht werden konnten, lässt sich vermutlich erst in einigen Jahren sagen. Klar ist jedoch, dass Biden neben der Abschottung, die unter Trump zu gespitzt wurde, einige Vorhaben in der Industriepolitik ins Laufen gebracht hat, von denen Trump zwar gesprochen, die er aber aktiv nicht angestoßen hatte.
Was jetzt auf uns zukommt
Anschließend stellt sich die Frage, wie Trump sich in seiner zweiten Amtszeit positionieren wird. Trumps nächste Regierungsperiode kommt jetzt also nach acht Jahren, in denen die USA sich stark auf Protektionismus fokussiert hatten. Das macht es ihm womöglich leichter, diesen Kurs weiterzuführen bzw. zu verschärfen. Das wird in inter nationalen Kreisen wohl auch erwartet. Sowohl vor als auch nach der Wahl warnten Ökonom:innen davor, dass eine zweite Amtsperiode Trumps negative Folgen für die Weltwirtschaft hätte.
Auch die Ankündigungen, die Trump bis jetzt gemacht hat, deuten darauf hin, dass er den handelspolitischen Kurs seiner ersten Amtszeit wieder auffrischen möchte. Gleich am ersten Tag nach seiner Wiederwahl kündigte er den Ausstieg aus dem Pariser Klima abkommen an, und schon vor seiner Wahl sagte er, dass er jegliche Importe mit einem Zoll von 10 bis 20 % belegen möchte. Dies betrifft auch die Nachbarstaaten Kanada und Mexiko, was in Widerspruch zum aktuell geltenden Abkommen USMCA stehen würde, das 2026 aber ohnehin neu geprüft werden müsste.
Zusammenfassend zeigt sich, dass von einer zweiten Regierungsperiode Trumps viel Bekanntes zu erwarten ist. Offen bleibt, ob er einige der positiven Impulse Bidens in der Industriepolitik beibehalten wird. Einerseits entsprechen sie stark seiner Rhetorik, der zufolge Arbeitsplätze zurück nach Amerika, vor allen in die deindustrialisierten Regionen gebracht werden sollten. Andererseits stehen sie faktisch im Widerspruch zu seiner gelebten Politik der ersten Regierungsperiode, in der die Idee, Industriearbeitsplätze wieder nach Amerika zurückzuholen, nur mittels Abschottung, nicht mittels aktiver Förderung versucht wurde.
Während Trumps Pläne sicherlich anders sind als das, was von Kamala Harris zu erwarten gewesen wäre, lässt sich jedoch beobachten, dass die Wendung zum Protektionismus kein isoliertes, auf Trump reduzierbares Phänomen ist. Biden behielt – teils still und heimlich – einige von Trumps protektionistischen Politiken bei. Mit der Zuspitzung geopolitischer Konflikte hat sich auch die Stimmung in der Bevölkerung nicht radikal verändert. Ein Unterschied ist sicherlich das Verhältnis der USA zu anderen
„befreundeten“ Staaten. Während Biden strategische Allianzen teils gesucht hat, ist Trumps „America first“ Kurs absoluter zu verstehen. Das führt mich zu zwei Beobachtungen. Einerseits stehen die USA vor dem Problem, dass die ökonomischen Probleme der Arbeiter:innenklasse in der Bevölkerung zum Teil einen Wunsch nach Abschottung hervorrufen, der aber keine faktische Antwort auf die Situation darstellt. Eine progressive Klassenpolitik, die Abstiegserfahrungen und Ängsten mit solidarischen Antworten begegnet, fehlt in der aktuellen politischen Landschaft der USA. Während bei den letzten beiden Wahlen in den Vorwahlgängen mit Bernie Sanders zumindest anfangs eine linke Alternative da war, sind die Stimmen der linken Demokraten merklich stiller geworden. Die Entscheidung liegt vermeintlich zwischen entfesseltem Liberalismus und „America first‘:
Die zweite Beobachtung liegt in der Fehldiagnose, die USA seien – mit Ausnahme Trumps – unvoreingenommener Befürworter von Freihandel. Schon historisch ist gut belegt, dass die USA Freihandel dann förderten, wenn es den eigenen ökonomischen und geopolitischen Interessen entsprach. Der koreanische Ökonom Ha-Joon Chang (2021) zeigte etwa auf, dass die USA eine lange Geschichte des Protektionismus haben und hohe Importzölle immer schon Teil des Repertoires der Außenwirtschaftspolitik der USA waren. Wenn Trump in seiner Amtszeit die Zollpolitik forcieren würde, stünde dies in einer langen Tradition.
Literaturverzeichnis
Amiti, Mary/Redding, Stephen J./Weinstein, David E. (2019): The Impact of the 2018 Tariffs on Prices and Welfare. In: Journal of Economic Perspectives, 33(4),187-2ro
Autor, David/Beck, Anne/Dorn, David/Hanson, Gordon (2024): Help for the Heartland? The Employment and Electoral Effects of the Trump Tariffs in the United Stares. National Bureau of Economic Research.
Autor, David/Dorn, David/Hanson, Gordon (2016): The China Shock: Learning from Labor-Marker Adjustment to Large Changes in Trade. Annual Review of Economics, 8(1), 205-240.
Berenberg-Gossler, Paul/Dany-Knedlik, Geraldine/Kläffiing, David/Michelsen, Claus (2020): Trumps protektionistische Handelspolitik hat ihre Ziele verfehlt. DIW-Wochenbericht. https://www.diw.de/de/diw _ 01.c.806566.de/publikationen/wochen berichte/2020 _50 _5/trumps protektionistische_ handelspoli tik _ hat_ ihre_ ziele_verfehlt.html, 5.12.2024
Chang, Ha-Joon (2021): Kicking Away the Ladder: Development Strategy in Historical Perspective (1st ed). Lon don u..O.: Anthem Press.
Neue Zürcher Zeitung (2024): Donald Trump plant bereits den nächsten Handelskrieg mit China. Der Schweizer Ökonom David Dorn erklärt den Grund https://www.nzz.ch/wirtschafl:/david-dorn-und-trump ld.1807270, 20.2.2024.
Scherrer, Christoph (1999): Globalisierung wider Willen? Die Durchsetzung liberaler Aussenwirtschaftspolitik in den USA. Berlin: Edition Sigma.
Scherrer, Christoph (2019): Direkte Konfrontation statt Umzingelung: US-Handelspolitik unter Trump mit Chi na. In: PROKLA. Zeitschrift Für Kritische Sozialwissenschaft, 49(194), 35-57.
Tolksdort: Dominik (2024): Made in America. Wie Trumps Handelspolitik weiter wirkt. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/themen/wirtschafl:/freihandel/geopolitik-und-welthandel/544499/made-in-america/, r.2.2024.