MAGA, die Jobgarantie und post-neoliberales öffentliches Wissen 1

Jakob Feinig

Abstract

Der Aufschwung des Rechtspopulismus wird durch eine besondere Form des öffentlichen Wissens ermöglicht eine, die von der Annahme geprägt ist, dass wir alle Teil des Marktes sind, eines Mechanismus, den wir weder verstehen noch ändern können. Eine wirksame Gegenstrategie besteht darin, Formen des ökonomischen Wissens zu kultivieren, die die demokratische Öffent­lichkeit in die Lage versetzen, Märkte als verstehbare Einrichtungen zu sehen, die sie verändern können; ein Wissen, das es ermöglicht, über Preise, Geld und Arbeit als formbare Formen kollektiver Organisation nachzudenken. Ein Ethos der ungetesteten Möglichkeiten, nicht der New Deal-Nostalgie, sollte solche post-neoliberalen Projekte leiten.

Während seiner letzten Präsidentschaftskampagne erklärte Donald Trump, die Abschie­bung „illegaler“ Einwanderer:innen würde die Arbeitslosigkeit und die Wohnungskrise lösen. Expert:innen beeilten sich, seine Behauptungen zu widerlegen, dennoch fanden seine Vorschläge in der Öffentlichkeit ein breites Echo. Was machte Trumps Aussagen plausibel? Waren sie glaubwürdig, weil das öffentliche Leben von der Vorstellung geprägt ist, dass wir alle am Markt teilnehmen – einem Mechanismus, den wir weder verstehen noch verändern können? Ist das der Grund, warum Abschiebungen anstatt verbesserter Mietpreiskontrollen oder groß angelegter öffentlicher Beschäftigungsprogramme so vielen Menschen sinnvoll erschienen? Anders gefragt: Kann die „illegale“ Einwanderung zu einem „wirtschaftlichen Problem“ werden, weil wir es nicht gewohnt sind, Arbeit, Geld, und Preise als veränderbare Formen der kollektiven Organisation zu betrachten? Wenn dies der Fall ist, erfordert eine robuste Antwort auf MAGA die breite Kultivierung von ökonomischem Wissen, das die Welt verständlicher und formbarer macht.

Eine solche Antwort wird auf neoliberale Formen des öffentlichen Wissens stoßen.

Der Historiker Philip Mirowski und seine Kolleg:innen haben dokumentiert (Mirowski 2013, 2018, 2019a; Mirowski/Plehwe 2015), wie die Neoliberalen ein Universum von Institutionen geschaffen haben, das wie eine russische Puppe aufgebaut ist. Das Innere der Puppe besteht aus Denkfabriken, die danach streben, das Regieren neu zu gestalten (Mirowski/Nik-Khah 2017). Diese einflussreichen intellektuellen Zentren schlagen marktbasierte Lösungen für dringende Probleme vor: Märkte für den Ausgleich von Kohlendioxidemissionen zum Beispiel sind Mechanismen für den Kauf und Verkauf von Einheiten des Rechts auf Umweltverschmutzung. Die Schaffung solcher Märkte ist für die Neoliberalen die einzig legitime Form des Regierens; alles andere tun sie als Faschismus oder Kommunismus ab. Für die Neoliberalen sind die Märkte nicht nur Objekte der Analyse, sondern rechtliche Strukturen, die sie zu gestalten berechtigt sind. Im Gegensatz zu den inneren Schichten der russischen Puppe wenden sich die Or­ganisationen, die ihre äußeren Schichten bilden, an ein breiteres Publikum. Sie sind weit davon entfernt, Märkte als rechtliche Strukturen zu betrachten; sie feiern eine Ordnung, die sie als „spontan“beschreiben. Der Markt ist der allwissende Verarbeiter von Information, und Preise die Manifestation seiner Wahrheit im Alltag. Daher ist jedes Einkommen, das wir erhalten, und jedes Vermögen, das wir für uns beanspruchen, gerechtfertigt. Die Öffentlichkeit sollte nicht fragen, wer die Preise für Arzneimittel festlegt oder welche rechtlichen Regelungen die Wohnungskosten mitbestimmen. Wir sollten nicht darüber nachdenken, wessen Beiträge wir unterbewerten (Nash 1995; Waring 1988), oder überlegen, wie wir Arbeitslosigkeit und Wohnungskrisen beenden können: Der überlegene Datenverarbeiter Markt übertrifft stets die menschlichen Re­chen- und Wissenskapazitäten. Getragen von der Vorstellung, dass die Menschen zu unwissend sind, um an der Gestaltung des kollektiven Lebens mitzuwirken, leugnen die äußeren Schichten der russischen Puppe die Möglichkeit gültigen Wissens, das über die Annahme von „Marktsignalen“ hinausgeht. Aus dieser Sicht sind umfassendere soziale Prozesse nicht versteh bar (außer durch die Daten, die das Marktorakel verarbei­tet und ausgibt).

Neoliberale Formen des öffentlichen Wissens erfordern keine enthusiastische Zu­stimmung zum Preis-Orakel. Sie erfordern lediglich, dass genügend Menschen an ihrer Fähigkeit zweifeln, Fragen über den Markt zu stellen. Das Säen von Zweifeln ist ein dokumentierter Aspekt neoliberaler Praktiken (Mirowski 2013, 20196), vergleichbar mit den Bemühungen von Tabakfirmen und Leugner:innen der globalen Erwärmung (Merchants of Doubt 2018). Diese Kampagnen sind subtiler als herkömmliche Propa­ganda, da sie nicht darauf abzielen, Menschen zu überzeugen: Sie wecken grundsätz­lichere Zweifel an der Möglichkeit von Wissen an sich.

Die Arbeiten von Paulo Freire beleuchten Situationen, in denen Menschen an ihrer Fähigkeit zweifeln, die Welt zu verstehen. Seit den frühen 196oer Jahren führte Freire Alphabetisierungskampagnen durch, in denen Tausende von Menschen lesen lernten. Er war erstaunt, als er feststellte, dass diese Menschen, von denen viele landlos waren und in Verarmung lebten, davon überzeugt waren, dass sie die soziale Ordnung nicht verstehen können. Da sie an ihrer Fähigkeit wissen zu können grundsätzliche Zweifel hatten, sahen sie sich als Objekte und nicht Subjekte der Geschichte. Deshalb weigerte sich Freire, Alphabetisierung als eine mechanistische Praxis zu betrachten, bei der die Lernenden auswendig Buchstabieren lernen – er war der Meinung, dass er so ihr Selbst­verständnis als Objekte verstärken würde. Stattdessen wollte Freire einen pädagogischen Prozess einleiten, in dem Menschen lernen, ,,die Welt zu lesen‘: Alphabetisierung wur­de zu einer kollektiven Praxis, in der die Welt versteh barer und veränderbarer wurde.

Freirianische Kampagnen sind notwendig, weil eine Welt, die unverständlich er­ scheint, eine Welt ist, die durch Gewalt gekennzeichnet ist. Freire schrieb, dass „ jegliche Situation, in denen manche Individuen andere davon abhalten, am Prozess der Wissens­bildung teil zu nehmen, von Gewalt geprägt ist. Die Mittel, die dabei eingesetzt werden, sind zweitrangig: Menschen von ihren Entscheidungen zu entfremden, heisst, sie zu Objekten zu machen“ (1970/2000, 85, Übersetzung des Autors). Von einer Freirianischen Perspektive fördern neoliberale Glaubenssätze über den allwissenden Markt nicht nur Ungleichheit und Ausgrenzung: Sie sind eine gewaltsame Verweigerung dessen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein (Valayden/Feinig 2022). Daher können neoliberale Formen der Wissensorganisation nur vorübergehende Situationen der Entmenschlichung schaf­fen – es sind Fehltritte, nicht das Ende der Geschichte.

Wie könnten postneoliberale Formen des Wissens aussehen? Die Frage der Preis­bildung ist ein Bereich, in dem solches Wissen heute kultiviert werden kann. Ähnlich der Landlosigkeit im Kontext, in dem Freire arbeitete, bestimmen Preise die Lebenswelt und das überleben der Menschen. Sie bestimmen, ob und was man sich zu essen leisten kann. Sie regeln, wer wo wohnen kann, wer ein Dach über dem Kopf hat (und wer nicht) und oft auch wer sich lebensrettende Behandlungen und Medikamente leisten kann (und wer nicht). Die Preise stehen gleichzeitig im Mittelpunkt der Alltagssorgen und erscheinen als spontane Manifestation des Marktorakels die außer Reichweite sind. Daher ist ein institutionelles Verständnis der Preisbildung ein notwendiger Bestandteil von postneoliberalen Formen des gemeinsamen Wissens.

Aus dieser Perspektive sind Isabella Webers Arbeiten über die Preisbildung ein Frei­rianisches Projekt, das die Welt besser verstehen lässt, nicht nur ein Beitrag zu einer Policy-Kontroverse. Als Expertin für die Konstruktion von Märkten im China des zwan­zigsten Jahrhunderts (Weber 2021a) begann Weber eine öffentliche Kontroverse genau an dem Punkt, an dem Neoliberale die Debatten zum Stillstand bringen wollen: Sie fragte, wer Preise festlegt, unter welchen Bedingungen, und wer davon profitiert (Weber 20216). Außerdem skizzierte sie mögliche Handlungsoptionen. Weil ihre Arbeit den institutionellen und politischen Charakter von Preisen aufdeckte, brachte sie neolibe­ralen Formen des öffentlichen Wissens durcheinander: Wenn die Preise besser verstan­den werden, müssen wir sie nicht mehr als alltägliche Erscheinung des Marktorakels akzeptieren sondern beginnen, eine politische Sprache über Preisbildung zu entwickeln.

Institutionell verankerte Debatten über Preisbildung führen zu Gesprächen auf dem Revier der Neoliberalen. Erstens stellen sie neoliberale Behauptungen über eine spon­tane Ordnung und ihre Fähigkeit zur Herstellung von überlegenem Wissen in Frage. Wenn Preise institutionelle Artefakte sind, kann die Ordnung nicht spontan sein – ir­gendjemand muss die Preise festlegen, und niemand kann dies außerhalb eines sich ständig ändernden rechtlichen und politischen Kontextes tun. Zweitens, wenn Preise eine rechtliche und institutionelle Praxis sind, wird es plausibel zu fragen, wer, wenn überhaupt, das Recht beanspruchen sollte, die Bedingungen für Märkte festzulegen. Wenn falsche Behauptungen über eine spontane Ordnung unplausibel geworden sind, wird sichtbar, dass Märkte politische Praktiken sind.Je breiter und umfassender öffent­liche Debatten über Preise werden, desto schwieriger wird es, neoliberale Formen des öffentlichen Wissens aufrechtzuerhalten. Solche Debatte können zu Nägeln im Sarg des Neoliberalismus werden. Und je mehr Menschen die politische Dimension von Preisen verstehen, desto unglaubwürdiger werden die Argumente von Trump über Migrant:innen, Preise Abschiebungen, und die Wohnungskrise.

Öffentliche Debatten über Jobgarantie-Programme sind ein weiterer Freirianischer Prozess der Wissensbildung, des „Lesens“ der Welt und der konstruktiven Herausforde­rung neoliberaler Wissensformen. Während neoliberale Diskurse die Schuld an der Arbeitslosigkeit oft deren Opfern zuschieben, deutet die Möglichkeit, öffentliche Ar­beitsplätze bereitzustellen, auf Alternativen: Diejenigen, die als Objekte des Marktes erscheinen, können zu Subjekten werden, die ihr Leben neu gestalten, während sie die Institutionen neu gestalten. Als staatlich finanziertes, aber lokal verwaltetes Programm würde eine Jobgarantie jeder und jedem, der es wünscht, einen angemessenen öffentli­chen Arbeitsplatz anbieten. Es würde Gemeinden, Schulbezirken und anderen lokalen Organisationen ermöglichen, Arbeitsplätze anzubieten (Quinz et al. 2024; Tcherneva 2020). In einer Welt, in der Millionen Menschen wegen der globalen Erhitzung migrie­ren müssen und weitere Millionen Menschen neue Arbeitsplätze brauchen werden, wenn wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden, kann eine Beschäf­tigungsgarantie das Recht auf Arbeit für diejenigen verwirklichen, die schon da sind, und für diejenigen, die noch kommen werden.

Die kollektive Reflexion über eine Arbeitsplatzgarantie, die nach Bedarf öffentliche Jobs bereitstellt hat das Potenzial, neoliberale Formen der Wissensorganisation zu unter­ graben. Erstens stellt sie die Vorstellung in Frage, dass es einen überlegenen Datenver­arbeiter, ein Orakel in Marktform, gibt: Wenn öffentliche Institutionen unfreiwillige Arbeitslosigkeit beseitigen, funktionieren sie besser als der Markt, und Behauptungen über dessen Überlegenheit werden unplausibler. Zweitens können die Menschen ein solches Programm verstehen, diskutieren und ändern. Dabei erkennen sie, dass sie nicht dazu verdammt sind, Objekte des „Marktes“ zu bleiben, weil dieser ein veränderbares Rechtskonstrukt ist. Und drittens erkennen die Menschen in solchen Gesprächen, dass sie Arbeitsplätze nicht als knapp ansehen müssen: Es gibt in unserer Krisenzeit immer etwas zu tun – in den Schulen, im Pflegebereich oder in Projekten zur Klimaanpassung. Aus all diesen Gründen stellen Gespräche über die Jobgarantie neoliberale Formen des Wissens in Frage. Sie machen auch die Trump’schen Behauptungen unplausibler: Wenn der Arbeitsmarkt eine Reihe von formbaren Institutionen ist und Arbeit nicht knapp ist, können alle einbezogen werden und Ausgrenzung wird schwieriger zu rechtfertigen.

Aber das Versprechen der Arbeitsplatzgarantie endet hier nicht: Sie könnte zu einem Wissensbildungsprozess werden, der es uns ermöglicht, neu zu überdenken, wie wir zusammen leben und arbeiten wollen. Eine Jobgarantie könnte öffentliche Entschei­dungen über Bedürfnisse und Prioritäten durch lokale Versammlungen demokratisieren, die zu Orten werden, an denen eine Gemeinschaft sich und ihre Möglichkeiten selbst erforscht. Während sie Entscheidungen treffen, könnten solche Gremien ermächtigen­ de Formen des kollektiven Wissens schaffen. Eine Jobgarantie könnte auch eine durch­ lässige Grenze zwischen Management und Arbeiter:innen schaffen: Letztere würden einen Teil ihrer Arbeit als Verwalter:innen erledigen und die rechtlichen und finanziel­len Regelungen kennenlernen, die das Programm ermöglichen. (Es gibt zahlreiche Prä­zedenzfalle von Genossenschaften, und die derzeitige kolumbianische Regierung ver­ wendet von der Mafia beschlagnahmte Infrastruktur, um Leute zu beschäftigen, die später die selben Unternehmen leiten werden). Schulen und Universitäten könnten Studierende darauf vorbereiten, lokale Möglichkeiten zu untersuchen – eine postneo­liberale Form der Berufsberatung, die jungen Menschen helfen würde, ihren Platz in einer sich verändernden Welt zu finden. Kurz, eine Freirianische Jobgarantie hat ein enormes Potenzial, neoliberale Annahmen zu untergraben, da ihre Teilnehmer:innen die Gewohnheit entwickeln, ,,die Welt zu lesen“ und ihr Leben neu zu gestalten, während sie die Institutionen neu gestalten. Die Jobgarantie könnte ein Nagel im Sarg des Neo­ liberalismus werden und Türen für die Demokratisierung des Wirtschaftslebens öffnen.

Postneoliberale Prozesse der Wissensbildung sollten New Deal-Nostalgie vermeiden. New Deal-Programme sind, vor allem in den USA aber auch global, ein Bezugspunkt, weil sie bestimmten Gruppen ein hohes Maß an materiellem Komfort bieten und weil ihr greifbares Vermächtnis (Living New Deal o.J.) uns daran erinnert, was wir in kurzer Zeit erreichen können. Aber New Deal-Programme haben Entscheidungen über Pro­duktion nicht demokratisiert und tendierten dazu, Politik auf Verteilungsfragen zu reduzieren (Rana 2014; Young 2022). Neoliberalen argumentierten in diesem Kontext, dass der Markt eine demokratischere Alternative sei. Daher sollten Befürworter:innen postneoliberaler Institutionen wie einer Jobgarantie vermeiden, den New Deal unkri­tisch zu übernehmen. Experimente in der ganzen Welt können als Vorbild dienen: In einem kürzlich durchgeführten südafrikanischen Programm entwickeln Arbeiter:innen selbst kulturelle Projekte, die von der Regierung finanziert werden sollen (The Presiden­cy of the Republic of South Africa 2022), während Millionen von Arbeiter:innen im ländlichen Indien im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms die lokale Infrastruktur verbessern. Postneoliberale Projekte sollten von einem Ethos der noch nicht getesteten Machbarkeit (Araujo Freire 2002) geleitet werden, nicht von New Deal-Nostalgie.

Ein wichtiger Unterschied zwischen den aktuellenJG-Vorschlägen und New Deal­ Formen des Wirtschaftsverständnisses liegt im Bereich des monetärenWissens. Viele Jobgarantie-Befürworter:innen ordnen die JG-Vorschläge in eine umfassendere Analyse der öffentlichen Geldschöpfung ein. Sie fragen: Wenn die Fähigkeit der Regierung, Geld zu schaffen, nicht auf eine bestimmte Menge beschränkt ist, warum kann sie dann nicht alle Arbeitssuchenden beschäftigen? Wie sollten wir über die Möglichkeiten der öffent­lichen Ausgaben nachdenken, wenn Preise institutionelle Gebilde sind (Fullwiler/Grey/ Tankus 2019; Money on the Left 2019) und nicht durch eine schwer definierbare Geld­ menge bestimmt werden? Mit diesen Fragen beleben die Vertreter:innen der Modemen Geldtheorie (MMT) (Kelton 2021) einen Freirianischen Prozess und kultivieren post­ neoliberale Formen des Wissens: Wenn Menschen beginnen, die öffentliche Geldschöp­fung verstehen, kann die Idee einer „spontanen“ Ordnung der sozialen Welt nicht lan­ ge überleben.

Dies mag zwar wie ein technischer Punkt erscheinen, stellt jedoch eine Abkehr von den Formen des öffentlichen Wissens dar, das die Epoche des New Deal charakterisier­te. Präsident Roosevelt warb für das „Recht auf nützliche und entlohnte Arbeit“ (Roo­sevelt 1944), das später in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert wurde. Gleichzeitig versuchte er jedoch, die Frage der staatlichen Geldschöpfung aus der öffentlichen Debatte zu entfernen (Feinig 2017, 2021). Im Gegensatz dazu betont die MMT ein breites institutionelles Verständnis der Geldschöpfung, das es schwieriger macht, erzwungenen Leerlauf (Arbeitslosigkeit) und Ausgrenzung zu rechtfertigen. Sie versucht, Formen öffentlichen Wissens zu schaffen, die den Neoliberalismus unglaub­würdig machen – und damit auch die Trumpschen Behauptungen über Migrant:innen, Arbeitsplätze und Abschiebungen.

Jahrelang haben MMT-Befürworter:innen die Prophet:innen der Austerität heraus­ gefordert und ein alternatives Verständnis der Bundesfinanzen gefordert. Aber nach Trumps Wahlsieg hat sich der Kontext verschoben und das Spiel hat sich geändert: Der Kampf gegen die Austerität könnte weniger wichtig werden als die Gefahr, dass Bundes­ mittel aus offenkundig politischen Gründen gekürzt werden. In diesem Kontext könn­te die Behauptung, die staatliche Geldschöpfung sei eine öffentliche Einrichtung, zu einer weniger wirksamen Herausforderung werden. Ist es an der Zeit, die Natur des Geldes als eine vielschichtige Institution ernst zu nehmen, eine Kernaussage der MMT (Kelton 1998) und anderer institutionalistischer Ansätze (Mehrling 2012)? Ausgaben auf der Bundesebene sind hochwirksam, aber sie sind nicht die einzige Form der Geld­schöpfung. Öffentliche Banken in den einzelnen Bundessaaten könnten an Bedeutung gewinnen, und wir könnten die Möglichkeiten der Geldschöpfung auf verschiedenen politischen Ebenen überdenken, ähnlich wie dies historisch z.B. in den Vereinigten Staaten praktiziert wurde (Feinig 2021) und wie es in der Eurozone in jüngster Zeit vorgeschlagen wurde (Theret/Coutrot 2021 ). Gespräche über Geld als eine formbare Institution sind ein weiterer Nagel im Sarg des Neoliberalismus und öffnen Türen für die Demokratisierung des Wirtschaftslebens.

Wenn Trumps Behauptungen über Abschiebungen, Arbeitslosigkeit und die Woh­nungskrise so viel Widerhall fanden, dann deshalb, weil die Idee eines allwissenden Marktes das öffentliche Leben weiterhin strukturiert. Eine robuste Antwort auf MAGA sollte solche Behauptungen unglaubwürdig machen, indem sie post-neoliberale Formen kollektiven Wissens kultiviert und das Vertrauen der Menschen stärkt, dass sie es lernen können, die Welt von ihrem Standpunkt aus zu verstehen (Smith 1990).

Aus dem Englischen von Christian Berger

Anmerkung

Dieser Artikel erschien zuerst am 20. Dezember 2024 im Rahmen eines Symposiums über Post-Neoliberalis­ mus der Economic Democracy Initiative, abrufbar unter: www.postneoliberalism.org/artides/maga-the-job­ guarantee-and-post-neoliberal-public-knowledge/.

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