Editorial: Dekarbonisierung der Produktions- und Lebensweise

Christian Berger

Die von den Arbeiterkammern Wien und Niederösterreich beauftragte WIFO-Studie ,,Die Rolle des öffentlichen Vergabewesens für eine klimaneutrale Produktions- und Lebens­weise“ (Klien/Böheim/Streicher 2023) weist erstmals für Österreich nach, wie sich staat­liche Nachfrage – in Form von öffentlichen Aufträgen – ökologisch niederschlägt. Der Staat ist, so ein zentrales Ergebnis, im Durchschnitt für knapp 8 Prozent (5,6 Mio. Tonnen C02) der heimischen Treibhausgasemissionen im Inland pro Jahr verantwort­lich, weltweit entlang von Wertschöpfungsketten noch für wesentlich mehr (19 Mio. Tonnen C02). Mit einem durchschnittlichen jährlichen Beschaffungsvolumen von 67 Mrd. Euro in den Jahren 2015 bis 2020 ist der Staat Österreich, das heißt Bund, Länder, Gemeinden, einschließlich ausgegliederter öffentlicher Unternehmen und Sozialver­sicherungsträger, ein wichtiger Marktteilnehmer.

Im Bereich der öffentlichen Beschaffung liegt also erhebliches Potenzial, um Treib­hausgasemissionen auf ein klimaneutrales Niveau zu senken, wie der Beitrag von Mi­chael Klien zeigt. Die vorliegende Studie schlüsselt detailliert auf, in welchen Sektoren und Produktgruppen Prioritäten zu setzen wären und plädiert für eine entsprechende Fokussierung. Die größten Hebel für Dekarbonisierung liegen dabei im Bauwesen und der Sachgütererzeugung, in weiterer Folge auch in der Lagerei, im Verkehr sowie in der Herstellung pharmazeutischer Erzeugnisse. Diese Dekarbonisierungspotenziale zu nut­zen, liegt dabei im unmittelbaren Einflussbereich des Staates. Die rechtliche Bestandaufnahme der Studie zeigt zudem, dass dies schon jetzt, bei entsprechendem politischem Willen- und einer Harmonisierung von Verwaltungshandeln auf hohem Niveau – mög­lich wäre. Die Absenz eines solchen politischen Willens könnte durch mehr verbind­ liche Vorgaben ersetzt werden, damit die staatliche Nachfrage sozial und ökologisch erfolgt.

Um die österreichischen und europäischen Klimaziele zu erreichen, gilt es, alle ver­fügbaren Hebel in Bewegung zu setzen. Der Beitrag von Matthias Koderhold betont daher die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes zur gezielten und gesellschaft­lich gesteuerten Transformation der gesamten Wirtschaft, der sowohl die staatliche Nachfrage als auch den privaten Konsum, die Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen als auch die Produktionsverhältnisse in den Blick nimmt.

Quellen

Klien, Michael/Böheim, Michael/Streicher, Gerhard (2023): Die Rolle des öffentlichen Vergabewesens für eine klimaneutrale Produktions- und Lebensweise. Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung.

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