Die Wirtschaftspolitik von Donald Trump

Christoph Scherrer

Die von Donald Trump angekündigte Handelspolitik schreckt die europäische Export­wirtschaft auf. Aber auch andere Teile seines Wirtschaftsprogramms schrecken auf, al­lerdings eher die Lohnabhängigen diesseits und jenseits des Atlantiks. Da aber trotz der Mehrheit der Republikanischen Partei in beiden Häusern des US-Kongresses noch nicht absehbar ist, welche Teile des Programms tatsächlich umgesetzt werden, soll hier statt einer Folgenabschätzung auf das Programm, die damit erhofften Ziele und die dahinter­ stehenden gesellschaftlichen Kräfte eingegangen werden. Da die Nominierungsvor­schläge für Trumps Kabinett bereits bekannt sind, soll auch eine kurze Einschätzung erfolgen, inwieweit dieses Personal zur Programmatik passt. Besonderes Augenmerk gilt Elon Musk, der für den techno-libertären Krypto-Flügel im Trump-Lager steht und besonders radikale Pläne verkündet.

Zölle als Allzweckmittel

Ich beginne mit dem Kernstück seines Wirtschaftsprogramms, den extrem hohen Zöllen gegenüber der Volksrepublik China und hohen Zöllen gegenüber dem Rest der Welt. Mit dieser Abkehr von den Regeln der Welthandelsorganisation will Trump gleich meh­rere Ziele erreichen. Mit den hohen Zöllen gegenüber China will er erstens verhindern, dass China die USA technologisch überholt. Dieses Ziel, wenn auch nicht die Methode, ist in den USA weitgehend Konsens. Zweitens hofft er wohl, mit den hohen Zöllen als Verhandlungsmasse China zu einer weiteren Marktliberalisierung insbesondere zu­gunsten US-amerikanischer Konzerne zu bewegen. Drittens will er damit auch bei der arbeitenden Bevölkerung punkten, da durch das hohe Importvolumen aus China In­dustriearbeitsplätze verloren gegangen sind. Um zu verhindern, dass chinesische Unter­ nehmen Mexiko als Standort für einen weitgehend zollfreien Zugang zum US-Markt nutzen, kündigte er zudem an, die Öffnungsklausel des von ihm selbst 2020 neu ver­handelten nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA zu nutzen. Produkte chinesischer Unternehmen, die in Mexiko produzieren, sollen so behandelt werden, als würden sie aus China in die USA exportiert. Ähnlich soll mit Seehäfen verfahren werden, die chinesischen Investoren gehören, wie zum Beispiel der neue Hafen in Peru, Chancay. Güter, die über diese Häfen umgeschlagen werden, sollen unabhängig von ihrem Her­kunftsland ebenfalls den hohen Zöllen für chinesische Produkte unterliegen.1

Musk teilt jedoch nicht die antichinesische Haltung des künftigen außenpolitischen Teams, das von Außenminister Marco Rubio und dem Nationalen Sicherheitsberater Michael Waltz angeführt wird. Musks Autofirma Tesla hat von der chinesischen Regie­rung günstige Kredite, Subventionen und Steuererleichterungen in Milliardenhöhe erhalten. 40 0/o der Produktionskapazitäten von Tesla befinden sich in Shanghai (White et al. 2024). Auch Trumps Unternehmen machen Geschäfte in China, und er selbst hat betont, dass ihm die Öffnung des chinesischen Marktes und chinesische Investitionen in den USA wichtiger sind als sicherheitspolitische Bedenken. Sein designierter Handelsminister Howard Lutnick erklärte gegenüber dem Fernsehsender CNBC, dass Zölle ein Verhandlungsinstrument seien.2 Diese Erwartung gilt auch für die deutliche Erhöhung der Zölle gegenüber der Europäischen Union. So erhofft: sich Trump dadurch Verhand­lungsmasse für die Verfolgung anderer Ziele, z. B. höhere Verteidigungsausgaben oder geringere Auflagen für US-Konzerne, insbesondere datenverarbeitende Konzerne, bei ihren Aktivitäten in Europa.

Zugleich sollen die Zolleinnahmen eine Senkung der Körperschafts- und Einkom­mensteuer ermöglichen. Es ist daher gut möglich, dass es bei dem angestrebten hohen Zollniveau bleibt und nur über die Gewährung von Ausnahmen verhandelt wird. Wie schon in seiner ersten Amtszeit können die Zölle auch als Druckmittel gegenüber US­ Unternehmen eingesetzt werden, indem Anträge auf Zollbefreiungen von Unternehmen, die sich Trump gegenüber loyal verhalten, bevorzugt genehmigt werden.3

Steuersenkungen sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil von Trumps Wirtschafts­programm. Erreicht werden soll dies durch die Verlängerung des Steuergesetzes von 2017, das Unternehmen und hohe Einkommen begünstigt, durch die Steuerbefreiung bestimmter Einkommensarten (Überstundenvergütungen, Trinkgelder und Sozialleis­tungen) und durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 21 % auf 15 % für Unternehmen, die in den USA produzieren. Umsetzen soll dies der Hedgefonds Mana­ger Scott Bessent als Finanzminister. Dieser war früher der Chief Investment Officer von George Soros. Bessent beeindruckte Trump mit seinem Vorschlag, durch ein redu­ ziertes Haushaltsdefizit in Höhe von 3 % des Bruttoinlandsprodukts und eine zusätz­liche Ölproduktion von 3 Millionen Barrel pro Tag ein Wachstum von 3 % zu erzielen.4 Geldpolitisch setzt sich Trump vor dem Hintergrund seiner Immobiliengeschäfte und aus wahltaktischen Gründen seit langem für niedrige Zinssätze ein. So schlug er vor, dass Präsidenten Einfluss auf die Zinssätze haben sollten.5

„Drill, baby, drill“- Alles für die fossile Industrie

Das Programm beinhaltet auch die Rücknahme von Umweltauflagen für die fossile Industrie. Gas, Kohle und Öl sollen gefördert, Subventionen für erneuerbare Energien gestrichen werden. Die Leitung des Energieministeriums soll Chris Wright übernehmen, ein Manager im Öl- und Gas-Fracking. Der Gouverneur des Fracking-Staates North Dakota, Doug Burgum, soll Innenminister werden und für den Verkauf von Öl- und Gaspachtverträgen zuständig sein. Burgum hat allerdings auch einmal ein Konzept zur Erreichung der C02-Neutralität bis 2030 entwickelt.6

Wie schon bei den beiden vorangegangenen Präsidentschaftswahlen gehören die fossilen Industrien zu den größten Unterstützern Trumps. Warum unterstützt Musk aber Trump, obwohl Trump ein Kritiker von Elektroautos ist? Das liegt zunächst an Teslas Entwicklungschancen. Als reiner Hersteller von Elektroautos wird Tesla seine hohe Börsenbewertung verlieren, da die traditionellen Automobilhersteller bei der Elektromobilität aufholen und chinesische Hersteller wohl den Markt dominieren wer­ den. Musk setzt darauf, dass es Tesla als erstem Unternehmen gelingen wird, autonomes Fahren auf breiter Front zu realisieren. Bis dorthin werden noch einige unausgereifte Technologien zu Unfällen führen, die die Behörden dazu veranlassen könnten, die Ex­perimentiermöglichkeiten mit selbstfahrenden Autos einzuschränken. Von Trump er-hofft sich Musk, dass die National Highway Traffic Safety Administration in solchen Fällen Zurückhaltung übt. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass Musk die Entwicklung von Software auf Basis künstlicher Intelligenz in seiner neuen Firma, xAI, konzentriert, die ihre Entwicklungsleistungen Tesla in Rechnung stellt.7 Dies bezeugt kein grenzen­ loses Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit von Tesla.

Zweitens gehören zu Musks Firmenimperium Unternehmen, die von staatlichen Aufträgen abhängig sind bzw. sich nicht durch gesellschaftliche Bedenken in ihrer Ent­wicklung einschränken lassen wollen. SpaceX ist von staatlichen Aufträgen abhängig, und zugleich unterliegt das Satellitengeschäft staatlichen Genehmigungsverfahren, nicht nur in den USA. Trumps besseres Verhältnis zu Autokraten könnte sich positiv auf die Geschäftstätigkeit von SpaceX auswirken. Neurolink, sein Unternehmen, das Mikrochips mit dem menschlichen Gehirn verbindet, wirft Fragen der Humangenetik auf, die unter einer anderen Präsidentschaft zu Auflagen führen könnten. Auch die Kurznach­richtenplattform X muss unter einem Präsidenten Trump keine Einschränkungen be­ fürchten.8

Musk hat sich auch eine eigene Rolle in der Regierung als Co-Leiter des neu zu schaffenden Department of Government Efficiency ausgedacht. Mithilfe dieser Behör­de will er die Rechte der anderen Aufsichtsbehörden auf der Grundlage der jüngsten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs einschränken.9 Zudem will er das Bundes­ personal drastisch reduzieren und hat bereits einzelne höhere Verwaltungsangestellte durch Postings auf X als überflüssig denunziert.10

Schließlich wäre Musk auch von Plänen aus dem demokratischen Lager betroffen, die eine Besteuerung noch nicht realisierter Buchgewinne vorsehen. Diese Steuer wür­de sowohl die Wall Street als auch das Silicon Valley betreffen. Im Silicon Valley wären Risikokapitalgeber betroffen, deren Geschäftsmodell darauf beruht, dass von ihnen fi­ nanzierte Start-ups mit hoher Bewertung an die Börse gebracht werden. Eine überhöh­ te Bewertung bedeutet aber auch eine höhere Steuerschuld.11 Betroffen wären auch die Beschäftigten der Start-ups, denn auch sie hoffen auf einen erfolgreichen Börsengang, da ihre Arbeit zum Teil mit Aktienoptionen vergütet wird.

So erklärt es sich, dass nicht nur die traditionell eher republikanisch gesinnten Ak­teure der Wall Street, sondern auch wichtige Akteure des Silicon Valley, die in der Ver­gangenheit mehrheitlich den Demokraten zugeneigt waren, aufTrump eingeschwenkt sind. Ein weiterer Grund für die Unterstützung Trumps durch die großen IT-Konzerne ist der extrem hohe Energieverbrauch von Mikroprozessoren für künstliche Intelligenz. Sie planen bereits den Bau von Atomreaktoren.12 Die Basis der Demokratischen Partei ist traditionell weniger atomfreundlich.

Gewerkschaften: Feinde oder Unterstützer? 

Das Silicon Valley ist traditionell gewerkschaftsfeindlich. Nicht nur Musks SpaceX wünscht sich eine andere Zusammensetzung des National Labor Relations Board, son­dern auch Amazon, wo Gewerkschaftsaktivisten in einigen Lagerhäusern erste Organi­sierungserfolge erzielen konnten.13 Die Gewerkschaftsfeindlichkeit verbindet die IT­ Unternehmen mit den meisten anderen Unternehmen im Land, einschließlich der Kleinunternehmen.

Trump will jedoch Lori Chavez-DeRemer mit der Leitung des Arbeitsministeriums betrauen, die eine der wenigen Republikaner:innen im Kongress ist, die sowohl ein Gesetz zur Stärkung der Verhandlungsfreiheit im öffentlichen Dienst als auch ein Gesetz zum Schutz des Vereinigungsrechts unterstützt. Der Präsident der Teamster-Gewerk­schaft, Sean O’Brien, befürwortet daher ihre Nominierung.14

Die allgemeine Kaukraft: wird zumindest mittelfristig durch die regressive Besteue­rung in Form von Importzöllen und längerfristig durch die generelle Senkung der Spitzensteuersätze eingeschränkt. Der Angriff auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf Bundesebene, wie zuvor schon auf die Beschäftigten in einigen Bundes­staaten, wird die organisierte Arbeiter:innenschafl: sicherlich ebenso schwächen wie die Neubesetzung der Nationalen Arbeitsbeziehungsbehörde. Es bleibt abzuwarten, in­ wieweit Chavez-DeRemer aus wahltaktischen Gründen Unterstützung von Trump erhält, um diese direkten Angriffe auf die Gewerkschaften abzumildern.

Anmerkungen

1 https://responsiblestatecraft.org/china-trade, 5.12.2024.

2 https://www.nytimes.comho24/11ho/us/politics/trump-cabinet-china-policy.html, 5.12.2024.

3 https://www.nytimes.comho24/11h3ius/politics/trump-tariff-exemptions.html, 5.12.2024.

4 https://thehill.com/business/5006200-trump-taps-scott-for-treasury-what-to-know/, 5.12.2024.

5 https://www.nytimesho24/11h2/business/trump-scott-bessent-treasury.html?smid=url-share, 5.12.2024.

6 https://bloomberg.com/news/articlesho214-11-15/trump-says-n-d-governor-burgum-will-be-head-of-interiordept, 5.12.2024.

7 https://ww.wsj.corn/tech/tesla_xai-partnership-elon-musk-30e22313, 5.12.2024.

8 https://www.bloomberg.com/news/articlesho24-11-12iwhat-trump-s-win-means-for-us-transportation-priorities, 5.12.2024.

9 https://edition.cnn.corn/2024/11h8/politics/doge-musk-ramaswamy-federal-regulations/index.html, 5.12.2024.

10 https://www.wsj.com7tech/musk-unleashes-online-army-on-federal-worders-a-tough-way-to-find-out-shes-losing-her-job-f57a2e94, 5.12.2024.

11 https://www.nybooks.com/articlesho24/o9/19/venture-backed-trumpism-benn-tarnoff/, 5.12.2024.

12 https://www.euronews.com/nextho24/ioh)/techs-nuclear-option-why-ais-insatiable-appetite-for-energy-isfuelling-a-radioactive-rena, 5.12.2024.

13 https://www.npr.org/2o24/11/i8/nx-s1-5192918/spacex-amazon-nlrb-board-elon-musk5,. 12.2024.

14 https://news.boomberglaw.corn/daily-labor-report/teamsters-president-backs-chavez-deremer-for-laobur-secretary, 5.12.2024.

Literatur

White, Edward/Cheng Leng Kana lnagaki/Morris, Stephen (2024): Elon Musk: the ‚wild card‘ in Trump’s dea­lings with China. In: Financial Times, 29.n.2024. https://www.fl:.com/content/e2ecd4fa-d41b-4563-b747- C3de8eC48C3o, 5,12.2024.

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