Mythos: „Reiche zahlen die meisten Steuern“ – BEIGEWUM

Mythos: „Reiche zahlen die meisten Steuern“

am 4. Februar 2015 um 12:42h

Zah­len die Rei­chen beson­ders vie­le Steuern?

Immer wie­der in der Kri­tik steht die hohe Lohn- und Ein­kom­mens­steu­er – sie tref­fen mit dem Grenz­steu­er­satz von 50% die leis­tungs­wil­li­ge Mit­tel­schicht. Doch tat­säch­lich ist die brei­te Mas­se vom 50-pro­zen­ti­gen Grenz­steu­er­satz kei­nes­wegs betroffen:

Der Grenz­steu­er­satz gilt nur für Ein­kom­mens­tei­le über dem Schwel­len­wert von 60.000 Euro Bemes­sungs­grund­la­ge (Brut­to­ein­kom­men abzüg­lich Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge). Ver­dient bei­spiels­wei­se jemand 100.000 Euro brut­to im Jahr, so zahlt er oder sie für die ers­ten 11.000 Euro kei­ne Steu­ern, für den Betrag zwi­schen 11.000 und 25.000 Euro bezahlt er oder sie 36,5%, für das Ein­kom­men zwi­schen 25.000 und 60.000 Euro 42,2% und nur für das Ein­kom­men über 60.000 Euro den Steu­er­satz von 50%. Die­ser höchs­te Grenz­steu­er­satz betrifft aller­dings nur 3% der unselb­stän­di­gen Beschäf­tig­ten in Öster­reich, denn mehr errei­chen ein solch hohes Ein­kom­men nicht. Berück­sich­tigt man auch noch die steu­er­li­che Begüns­ti­gung des 13. und 14. Monats­ge­halts, so ergibt sich für den oben ange­führ­ten Fall eines Jah­res­ein­kom­mens von 100.000 Euro ein durch­schnitt­li­cher Steu­er­satz von 28,5%. Die­ser liegt somit deut­lich unter dem Spit­zen­steu­er­satz – selbst bei die­sem durch­aus hohen Einkommen.

Ver­ges­sen wird beim Ver­weis auf die hohe Steu­er­last der Hoch­ein­kom­mens­be­zie­her meist, dass Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge zu leis­ten sind. Berück­sich­tigt man die­se, ver­schiebt sich das Bild der rela­ti­ven Abga­ben­last, da Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge bereits ab der Gering­fü­gig­keits­gren­ze von etwa 400 Euro zu leis­ten sind. Dar­über hin­aus ist der zu ent­rich­ten­de Abga­ben­satz unab­hän­gig von der Ein­kom­mens­hö­he und nach oben mit dem Betrag von 4.530 Euro pro Monat gede­ckelt. Dar­aus ergibt sich, dass auch jene Arbeit­neh­me­rIn­nen, die so wenig ver­die­nen, dass sie kei­ne Ein­kom­mens­steu­ern zah­len, Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge in vol­ler Höhe bezah­len. Bei die­sen viel zitier­ten 40% aller unselb­stän­dig Erwerbs­tä­ti­gen han­delt es sich v.a. um Men­schen in Nied­rig­lohn­sek­to­ren wie dem Han­del oder der Pfle­ge, Teil­zeit­be­schäf­tig­te oder ande­re Arbeit­neh­me­rIn­nen in pre­kä­ren For­men der Erwerbstätigkeit.

Berück­sich­tigt man dar­über hin­aus die indi­rek­ten Steu­ern, dann zeigt sich, dass unselb­stän­dig erwerbs­tä­ti­ge Haus­hal­te, egal wel­cher Ein­kom­mens­klas­se sie ange­hö­ren, in Rela­ti­on zu ihrem Ein­kom­men annä­hernd gleich viel an Steu­ern und Abga­ben bezahlen.

Per­so­nen, die nied­ri­ge Ein­kom­men bezie­hen, wen­den einen grö­ße­ren Anteil ihres Ein­kom­mens für indi­rek­te Steu­ern (z.B. Umsatz­steu­er) und Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge auf, wohin­ge­gen Per­so­nen mit hohen Ein­kom­men einen grö­ße­ren Anteil ihres Ein­kom­mens für Lohn­steu­er bezah­len. Aber alle tra­gen mit rund 40% ihres Ein­kom­mens zur Staats­fi­nan­zie­rung bei – das Abga­ben­sys­tem wirkt dem­nach nicht pro­gres­siv, son­dern viel­mehr proportional.

Auch wenn jemand die Woh­nung besitzt, in der er/​sie lebt, wer­den hier fik­ti­ve Ver­mö­gens­ein­kom­men erzielt, weil kei­ne Mie­te bezahlt wer­den muss. Auch auf Erb­schaf­ten und Schen­kun­gen fal­len seit 2008 kei­ne Steu­ern mehr an. Wer­den all die­se Fak­to­ren mit ein­be­zo­gen, ist die Steu­er­be­las­tung sogar regres­siv. Das bedeu­tet: Je mehr ein Haus­halt an Ein­kom­men gene­riert, des­to weni­ger bezahlt er rela­tiv zu die­sem Ein­kom­men an Steuern.

Beim vor­lie­gen­den Bei­trag han­delt es sich um den drit­ten von vier gekürz­ten Ver­sion von Kapi­teln aus dem aktu­el­len Buch „Mythen des Reich­tums. War­um Ungleich­heit unse­re Gesell­schaft gefähr­det“. Die­ses wur­de vom BEIGEWUM, Attac und der Armuts­kon­fe­renz her­aus­ge­ge­ben und stellt den beste­hen­den Mythen des Reich­tums Fak­ten ent­ge­gen. Die Auto­rIn­nen set­zen sich mit Gerech­tig­keits– und Leis­tungs­be­grif­fen aus­ein­an­der, erör­tern die empi­ri­sche Ver­mö­gens­for­schung, und unter­su­chen die Gefah­ren der Ver­mö­gens­kon­zen­tra­tion für die Demo­kra­tie. Das Buch ist im VSA-​​​​­Ver­lag erschie­nen und kann hier bestellt werden.

Kategorie: blog Kommentare deaktiviert für Mythos: „Reiche zahlen die meisten Steuern“

Noch keine Kommentare.

Zum Anfang der Seite